Dragons: Selbstbewusstsein als Gamechanger

Florian Lau

Gründungsmitglied, FSJ’ler, Trainer und Vorstandsmitglied: Es gibt keine Tätigkeit bei den Dragons Marzahn, die Florian Lau noch nicht ausgeübt hat. Heute setzt sich der Lehrer – auch im Auftrag des Berliner Senats – dafür ein, dass Sport stärker in den Schulen und Kitas implementiert wird und die Kinder sich dadurch mehr bewegen. Im Interview mit Klubtalent erzählt er, warum Kooperationen für Vereine so wichtig sind, warum diese ruhig selbstbewusst auftreten sollten und eine große Portion Mut unabdingbar ist. 

Hallo Florian. Wieso sind Kooperation zwischen Schulen bzw. Kitas und Vereine in deinen Augen so wichtig? 

Florian: Ich glaube, am Offensichtlichsten wird das in sozialen Brennpunkten. Vereinsmitgliedschaften sind für uns oft etwas Selbstverständliches, aber wenn wir ehrlich sind: Bevor man Mitglied wird, muss schon eine ganze Menge passieren. Man muss auf den Verein aufmerksam werden, einen Aufnahmeantrag bekommen, diesen ggf. von den Eltern unterschreiben lassen, jemand muss den Mitgliedsbeitrag bezahlen können, usw. Es gibt sehr viele Szenarien, die verhindern können, dass Kinder schlussendlich im Verein landen. Deswegen ist es wichtig, dahin zu gehen, wo die Kinder sind. Und in Schule und teilweise in der Kita sind sie verpflichtend. Wir wollen den Grundstein legen, dass sie eine gewisse Regelmäßigkeit spüren und das Denkmuster aufbauen: Hey, heute habe ich sowas wie Training. Dabei ist es förderlich, wenn jemand außerhalb des Schulumfelds das übernimmt, da dieser nochmal neue Impulse setzen kann. Uns als Verein ist es wichtig, dass wir im sozialen Brennpunkt die Übergänge mitgestalten. Wir wollen eine vertraute Konstante im Leben der Kinder sein. Somit nehmen wir den Kindern die „Angst“ vor den Vereinen, weil ihnen schon einige Personen und Abläufe bekannt sind. 

Auch die Dragons sind als ein solcher Kooperationsverein aktiv. Statt aufs Ehrenamt setzt ihr dabei auf hauptamtliche Trainer*innen und habt zudem einen bezahlten Kiezkoordinator. Wieso habt ihr diesen Ansatz gewählt? 

Florian: Tatsächlich haben wir es anfangs auch mit Ehrenamtlichen und Freiwilligendienstleistenden versucht. Doch damit stießen wir schnell an unsere Grenzen: die ehrenamtlichen Trainer*innen müssen bis nachmittags arbeiten oder studieren und können daher nicht in den Kitas und Schulen wirken. Die Freiwilligendienstleistenden verfügen zwar über mehr Zeit, aber können von den zahlreichen pädagogischen Herausforderungen mit jungen Teams in Schule und Verein schnell überfordert sein. Oft stellt auch das hohe Maß an Verantwortung und Selbstorganisation eine Herausforderung für junge Abiturient*innen dar. Daher mussten wir den Schulen mitteilen, dass wir so nicht weitermachen können, aber bereit sind, neue Wege zu gehen. 

Was habt ihr dann gemacht? 

Florian: Wir haben zuerst die Schulleiter*innen zum Gespräch geladen und gefragt, was in ihren Augen die Bedingungen sind, damit eine Kooperation gelingt und klar gemacht, was wir uns als Verein vorstellen. Zuvor haben wir Kontakt zu Alba Berlin aufgenommen, die mit „Alba macht Schule“ bereits ein ähnliches Programm aufgebaut haben. Dadurch wussten wir, dass Schulen die Möglichkeit haben, Trainer*innen zu bezahlen, wenn es Teil des Ganztagsprogramms ist. Entsprechend selbstbewusst sind wir dann an die Schulen herangetreten und einige sind auch direkt darauf eingegangen, sodass wir dann auch zwei Personen auf 450 Euro Basis einstellen konnten. Das waren dann Lehramtsstudierende, die bereits mehr Erfahrung mit Kindern und einem Trainer*innen-Amt aufweisen konnten. Andere Schulen hingegen haben klipp und klar gesagt, dass sie niemanden einstellen können oder möchten. Hier sind wir dann erstmal einen Schritt zurückgegangen und haben die Zusammenarbeit eingestellt. 

Haben diese Schulen nochmal ihre Meinung geändert? 

Florian: Ja, haben sie in der Tat. Die Schulleiter*innen tauschen sich untereinander aus. Nachdem sich dann herumgesprochen hat, dass unser Konzept gut funktioniert, sind dann auch viele andere Schulen nachgezogen. Ihnen wurde dadurch bewusst, dass es eine Rechtssicherheit gibt, unsere Trainer*innen anzustellen und dass der Stundenlohn gerechtfertigt ist, so dass ihnen Ängste genommen werden konnten. 

Gab es weitere Gründe, dass ihr die Schulen von den Dragons überzeugen konntet? 

Florian: Für uns war es auch ein Lernprozess, in dem wir auch unsere Rolle an den Schulen überdenken mussten. Wir wollten zu echten Bildungspartnern auf Augenhöhe werden. Es klingt banal, aber Sport ist elementarer Bestandteil von Bildung. Mit der Zeit haben wir dann auch das entsprechende Verwaltungsvokabular erlernt und alle wichtige Informationen zur Bezahlung von Schulpersonal parat gehabt. So wussten wir zum Beispiel, dass Schulen über eigene Personalmittel verfügen und in Abhängigkeit vom Ganztag und den Sozialdaten auf weitere Mittel zurückgreifen können. Das hat die Schulen beeindruckt und viele empfanden unsere „Tipps“ als sehr hilfreich. Wir haben die gleiche Sprache gesprochen. Zudem konnten wir ihnen Schulen nennen, an denen solche Modelle bereits erfolgreich praktiziert werden und die sie auf dem kurzen Dienstweg befragen konnten. Die Schulen haben verstanden, dass es uns nicht nur um neue Mitglieder, sondern unseren gemeinsamen Kiez geht. Dieses neue Rollenverständnis war ein Gamechanger für uns. 

Ein wichtiger Punkt ist sicherlich auch Mut, oder? 

Florian: Würde ich definitiv so sagen. Unser gesamter Vorstand war bereit, diesen Schritt zu gehen und sich dafür einzusetzen. Es war auch die Bereitschaft da, finanziell in Vorlage zu gehen oder quer zu finanzieren, weil wir von unserem Ansatz überzeugt waren. Zum Glück hatten wir damit bisher immer Erfolg, deswegen sind wir auch mutig geblieben. 

Warum mangelt es oft an diesem „Mut“ in Vereinen? 

Florian: Man geht oft mit einer gewissen Rollenerwartung in Gespräche und Verhandlungen. Hier habe ich das Gefühl, dass Vereine sich oft selbst zu klein machen und fast schon betteln. Dabei sehen sie gar nicht, dass sie einen enorm wichtigen Beitrag zur Gesellschaft leisten. Vereine machen super viel. Warum damit nicht auch entsprechend selbstbewusst umgehen und sich auch mal fragen: Warum nicht den Verein professionalisieren? Solange das nicht der Fall ist, werden u.a. Schulen immer weiter dankbar das Ehrenamt annehmen. Er herrscht noch zu stark die Meinung, dass Sport nichts kosten darf, dabei ist es nicht selbstverständlich, was ehrenamtlich jeden Tag aufs Neue geleistet wird. 

Wie sollten Vereine stattdessen auftreten? 

Florian: Sie sollten ruhig selbstbewusst auftreten und sagen: Das und das können wir leisten, das sind die Vorteile dadurch und das sind unsere Bedingungen. Nur so wird wirklich klar, dass das Ehrenamt viel, aber eben nicht alles stemmen kann. Bestes Beispiel ist Jannes Job als Kiezkoordinator.

Wie meinst du das? 

Florian: Ich habe vorher Jannes Job ehrenamtlich gemacht, aber seitdem er es macht, ist es ein ganz anderes Level. Er ist immer da und ansprechbar. Er kann morgens die Schulen anrufen oder dort vorbeifahren. Eben dann, wenn die Schulen auch besetzt sind. Er kann sich vernetzen, Querverbindungen herstellen, soziale Träger mit ins Boot holen und die Wirtschaft involvieren. Viele Unternehmen wollen sich engagieren, aber wissen nicht wie. Wenn dann Macher*innen sagen: Wir übernehmen das und ihr könnt so und so helfen, sind viele sofort dabei. Jannes wird als professioneller Kiezkoordinator sehr geschätzt. Dabei ist er auch eine Schnittstelle zwischen den Schulen und fördert den Austausch zwischen ihnen. Z.B. kann er Inputs einbringen, wie andere Schule mit den gleichen Problemen umgehen. 

Durch seine offizielle Jobbezeichnung hat er vermutlich auch nochmal ein anderes Standing oder? 

Florian: Genau. Er wird dadurch auf jeden Fall anders wahrgenommen. 

Was würdest du dir denn von anderen Vereinen wünschen? 

Florian: Viele Vereine fokussieren sich sehr stark auf die Kinder „im goldenen Lernalter“ und vernachlässigen die jüngeren Kinder. Wenn allerdings jeder Verein jemanden hätte, der pro Woche zwei, drei Schulen und Kitas besuchen würde, vor allem auch in den sozialen schwächeren Gegenden, würde das einen enormen Unterschied machen. Gesamtgesellschaftlich wäre das unbezahlbar. Positiver Nebeneffekt: Langfristig würde sich das auch positiv auf die Leistungsspitze auswirken. Wenn mehr Vereine sich auch in der Hinsicht engagieren würden, wären auch mehr Gelder verfügbar, weil dann auch die Nachfrage da wäre.

Gibt es noch einen anderen Tipp, den du geben würdest? 

Florian: Man muss auf jeden Fall Bock haben, immer wieder zu lernen und sich fortzubilden. Wenn sich jemand immer nur darauf beruft, dass er oder sie auf 25 Jahre Erfahrung zurückblicken kann, dann ist man heutzutage die falsche Person für den Job in einem Verein. Es sollte nicht nur das Bestreben da sein, dass sich die Organisation oder der Verein weiterentwickelt, sondern eben auch alle auf Funktionärsebene sowie die Ehrenamtlichen. Mittlerweile gibt es da auch super Angebote von den Landesverbänden oder digital. Zudem haben wir auch sehr die Fähigkeiten unserer Mitglieder zu schätzen gelernt. 

Inwiefern? 

Florian: Wir haben zum Beispiel gemerkt, dass wir etwas damit überfordert waren, dass wir bei 300 Mitglieder auf einmal sieben sozialversicherungspflichtige Angestellte hatten. Klar, haben wir uns ein Lohnbüro gesucht, aber die arbeitsrechtlichen Grundlagen mussten wir uns alle erst einmal anlesen und in Arbeitsverträge gießen. Als uns das zu viel wurde, haben wir einen offenen Aufruf an unsere Mitglieder gestellt: Wer kann den Verein mit seinen beruflichen Kompetenzen unterstützen? Dabei haben wir festgestellt, dass wir u.a. einen Personaler von Mercedes und zahlreiche Buchhalter*innen als Mitglieder haben. Danach haben wir uns ehrlich gesagt auch etwas geärgert, dass wir unsere Mitglieder nicht schon vorher stärker eingebunden haben. Auch das Thema Kinderschutz wurde von einer Spielerin und einer Mutter vorangetrieben. Da schlummert total viel Erfahrung und Know-How, welches wir nun nicht mehr missen möchten. 

Wieso wurde vorher nie abgefragt, wie die Mitglieder helfen können und welche Aufgaben hat der Personaler übernommen?

Lange Zeit haben wir die wachsenden Anforderungen gar nicht wahrgenommen. Etwas zu viel Pathos, aber vielleicht ist das wie beim Frosch, der nicht aus dem Topf springt, wenn man das Wasser mit ihm erhitzt. Wir waren ja auch stolz darauf, was wir alles als junger dynamischer Vorstand stemmen können. Irgendwann kam aber die Erkenntnis, dass wir als Vorstand ja keine Dienstleister sind und uns Jammern auch nichts bringt. Den Stolz beiseitegelassen, haben wir unseren Aufruf gestartet und waren überwältigt von der Hilfsbereitschaft.

Wie genau lief der Transformationsprozess von Hauptamt zum Ehrenamt ab?

Der Transformationsprozess verlief sehr konsequent und geradlinig. Mit den Gesprächen in den Schulen, haben wir die wirtschaftliche Grundlage geschaffen und unsere Mitglieder waren durch die sofort gestiegene Qualität der Trainer*innen sofort überzeugt von dem Schritt. Beide Coaches kamen erst durch die Professionalisierung zu uns in den Verein und sind auch lange geblieben. Mit wachsendem Erfolg unserer Schulkooperationen und steigender Mitgliederzahl brauchten wir dann immer mehr Mitarbeitende. Dafür müssen wir als Vorstand ständig dazulernen, weil dieser Prozess womöglich nie abgeschlossen sein wird. 

Klubtalent: Danke für das Interview!


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