Nach seinem Studium hat Frank Fechner erstmal eine Karriere in der Politik eingeschlagen. Doch als das Angebot des FC St. Pauli kam, den Stadionneubau zu koordinieren, fand er seinen Weg in den Sport und wurde dort u.a. Leiter der Geschäftsstelle. Nach intensiven Jahren beim Fußballclub entschloss er sich, eine neue Herausforderung anzunehmen und wechselte zum Eimsbütteler TV, Hamburgs größtem Breitensportverein. Das Erfolgsgeheimnis des Vereins: Er setzt auf eine Mischung aus Tradition, Trendsportarten und Schulkooperationen sowie auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamt, denn nicht nur der Vorstand ist beim ETV hauptamtlich. Im Interview erzählt Frank Fechner u.a. über seine Erfahrungen im Verein, warum geringe Mitgliedsbeiträge nicht die Lösung sind und über die höheren Erwartungen von Mitgliedern.
Hallo Frank, ihr habt rund 15.000 Mitglieder. Wie organisiert ihr euch als Verein?
Früher war unser Verein in seiner Struktur stark ehrenamtlich geprägt und erst in den letzten 15 Jahren haben wir unsere Strukturen professionalisiert und setzen seitdem verstärkt aufs Hauptamt. Wir unterteilen uns dabei in Freizeitsport und Abteilungssport. Während der Abteilungssport (Fußball, Handball, etc.) noch ehrenamtlich geführt ist, setzen wir im Freizeitsport (u.a. Fitnessstudio, Fitnesskurse, Kindersport, Trendsport, Schwimmschule) vor allem aufs Hauptamt. Wir haben dafür um die 40 hauptamtlichen Mitarbeiter*innen und in den Abteilungen ca. 300 Ehrenamtliche.
Wieso setzt ihr auf diese Kombi?
Ich setze mich immer dafür ein, dass man das Ehrenamt nicht überlasten darf. Daher bin ich großer Fan von Hauptamt an Stellen mit großer Verantwortung und dort, wo sich Aufgaben häufen, die nicht immer nur Spaß machen. So haben zum Beispiel viele Spaß daran, im Sport aktiv zu sein, aber wenn es darum geht, die Buchhaltung ehrenamtlich zu machen, nimmt die Zahl der Interessierten schon deutlich ab. Wenn man diese Aufgaben jedoch übernehmen muss, weil es sonst niemanden gibt, dann verdirbt das häufig die Freude am Ehrenamt. Daher bin ich ein Befürworter davon, Ehrenamt zu fördern, aber nicht zu überfordern.
Wie gewinnt ihr eure Hauptamtlichen?
Viele unsere Mitarbeiter*innen kommen aus dem Verein, waren also hier Mitglied und haben dann die Chance ergriffen, im Verein zu arbeiten. Den meisten von ihnen ist es wichtiger, eine sinnvolle Tätigkeit auszuüben, anstatt viel Geld zu verdienen. Ein Kollege aus dem Vorstand hat zum Beispiel bei der Deutschen Bank gearbeitet, seinen Job dort jedoch gekündigt, weil es ihm keinen Spaß gemacht hat. Stattdessen kümmert er sich nun um die Vereinsfinanzen und ist dabei sehr glücklich. Und ich kann auch nur bestätigen, dass mir meine Arbeit Spaß macht und mich erfüllt. Und so geht es einigen und damit können wir auch werben.
300 Ehrenamtliche sind auch eine enorme Zahl. Habt ihr Probleme, Positionen nach zu besetzen?
Interessanterweise haben wir in den letzten Jahren weniger Probleme, Ehrenämter zu besetzen. Das war früher deutlich schwieriger. Meines Erachtens liegt das daran, dass wir Ehrenamtlichen die Unterstützung durch das Hauptamt anbieten. Die Ehrenamtlichen können sich so auf die Aufgaben konzentrieren, die sie wirklich machen wollen – also meistens was mit Sport. Wobei es natürlich immer auch Ehrenamtliche gibt, die eine Affinität zu Zahlen oder zur Prozessoptimierung oder ähnliches mitbringen. Auch für diese Personen haben wir noch Ehrenämter, so z.B. im Aufsichtsrat oder als Rechnungsprüfer*innen. Seit 8 / 9 Jahren besetzen wir auch diese Ämter problemlos. Ich habe das Gefühl, dass unsere Ehrenamtlichen zufrieden sind, weil das, was von ihnen erwartet wird, überschaubar ist.
Gibt es weitere Gründe für dich, aufs Hauptamt zu setzen, außer die Zufriedenheit der Ehrenamtlichen?
Die Mitglieder haben mittlerweile eine hohe Erwartung an das „Service-Niveau“ von Vereinen. Sie erwarten z.B., dass das Angebot stattfindet, auch wenn der Übungsleiter mal krank ist, oder dass jemand erreichbar ist, um ihre Fragen zu beantworten. Dies ist teilweise aber nur möglich, wenn es hauptamtliche Mitarbeiter*innen gibt, die dies gewährleisten können. Hinzu kommt, dass die Professionalisierung einiger Vereine generell zu einer höheren Erwartungshaltung auch an andere Vereine führt.
Würdest du sagen, dass Hauptamt für alle Vereine interessant ist?
Ich kann mal meinen Eindruck aus Hamburg schildern. In Hamburg gibt es eine starke Entwicklung hin zu Großsportvereinen, d.h. es gibt rund 25 Vereine mit über 2.500 Mitgliedern.
Diese Vereine sind oft gut aufgestellt, weil sie auf hauptamtliche Angestellte zurückgreifen können. Auch kleine Vereine mit wenigen Mitgliedern oder nur einer Sparte sind oft überlebensfähig, weil sie ihr Pensum auch ehrenamtlich stemmen können. Anders hingegen sieht es bei Mehrspartenvereinen oder mittelgroßen Vereinen aus. Diese haben meist keine hauptamtliche Kraft und können daher, was von Mitgliedern an Service erwartet wird, teilweise gar nicht leisten. Telefone sind nicht besetzt und die Geschäftsstelle teilweise nur einmal in der Woche. Zudem werden auf Anfragen und Trends nur spät reagiert, wenn überhaupt. So verlieren Mitglieder auch schonmal die Geduld mit Vereinen. Gerade in der Großstadt, wo es eine große Konkurrenz gibt, stehen diese Vereine enorm unter Druck. Hier können dann auch günstige Mitgliedsbeiträge nichts mehr retten. Wir sind z.B. relativ teuer in unseren Mitgliedsbeiträgen, was die Personen aber nicht abschreckt, da sie wissen, dass sie bei uns Qualität bekommen.
Vereine haben oft den Eindruck, dass hohe Mitgliedsbeiträge Mitglieder abschrecken.
Unser Beitrag war schon immer relativ hoch. Vor 15 Jahren lag der Beitrag bereits bei fast 20€. Unsere Beiträge müssen auch so hoch sein, da unser Verein eigene Sportanlagen besitzt und das kostet Geld. Aber die Vorteile, vor allem was die Verfügbarkeit angeht, wollen wir nicht missen. Daher haben wir mehrere eigene Hallen. Zwar nutzen wir auch öffentliche Hallen, sind aber weitestgehend unabhängig. Dafür sind wir im Vergleich zu privaten Sportanbietern immer noch günstig. Wer in ein Yoga-Studio geht, bezahlt 10€ pro Stunde, bei uns kann man für 25€ so viel Yoga im Monat machen, wie man möchte. Und auch unser Fitnessstudio ist nicht teurer. Unsere Erfahrung ist, dass man nicht ständig die Beiträge erhöhen sollte, sondern wenn man es macht, dann gleich richtig. So vermeidet man, dass man die Diskussion jedes Jahr aufs Neue führt. Wir erhöhen unseren Beitrag meist alle drei bis vier Jahre und dann aber um 5%-10%.
Wie kommuniziert ihr das an die Mitglieder?
Wir versuchen unsere Kosten gegenüber den Mitgliedern sehr transparent zu kommunizieren. Meist stoßen wir auch auf Verständnis, dass wir nach ein paar Jahren der Preisstabilität, ab und an auch mal die Preise anheben. Andere Vereine verfolgen auch die Strategie, jedes Jahr den Beitrag ein bisschen zu erhöhen und haben dies in der Beitragsordnung festgehalten. Das führt dann aber auch jedes Mal wieder zu Nachfragen. Wir informieren über unser Mitgliedermagazin und unsere Homepage und versuchen immer, dies mit einigen Monaten Vorlauf zu tun. Ehrlich gesagt, gibt es aber auch eine große Zahl von Mitgliedern, die die Erhöhung nur zur Kenntnis nehmen oder die Erhöhung gar nicht wahrnehmen.
Du hast eben vor allem die mittelgroßen Vereine thematisiert. Gibt es auch etwas, was du kleineren Vereinen raten würdest?
Ich würde kleinen Vereinen empfehlen, sich mit anderen Vereinen zusammenzutun. Wenn sich zum Beispiel drei kleinere Vereine zusammentun, könnten sie sich eine hauptamtliche Stelle leisten und auch sonst Synergieeffekte schaffen. Leider sieht man jedoch noch allzu oft, dass die Vereine sich bereits bei Dingen wie den Vereinsfarben nicht einig werden können und die Gespräche dann im Sande verlaufen.
Noch ein anderes Thema: Ihr arbeitet auch verstärkt mit Schulen zusammen. Wie kam es dazu?
Im Hamburg hat der Senat 2011 beschlossen, dass alle Grundschulen Ganztagsschulen werden sollen. Die Schulen konnten dann zwischen verschiedenen Modellen wählen und viele haben sich dafür entschieden, offene Ganztagsschulen zu werden, d.h. dass Jugendhilfeträger mit ihnen im Ganztag zusammenarbeiten. Gleichzeitig hat der Senat entschieden, dass Sportvereine sich als Jugendhilfeträger anbieten können und somit als Kooperationspartner für Schulen in Frage kommen.
Und ihr habt euch als ein solcher beworben?
Genau. Wir hatten damals die Befürchtung, dass die Kinder, wenn sie bis 16 Uhr in der Schule sind, danach nicht mehr in den Verein kommen, weil sie z.B. zu ausgepowert sind. Wir hatten die Sorge, dass wir den Nachwuchs verlieren. Daraufhin haben wir – sowie drei weitere Großsportvereine in Hamburg – uns an den Ganztagsschulen beworben und wurden gleich von vier Schulen ausgewählt. Unser Ansatz ist der der „bewegten Schule“, d.h. wir vertreten die Meinung, dass die Kinder, wenn sie sowieso bis 16 Uhr in der Schule sind, zumindest sich am Nachmittag bewegen sollten. Das finden sowohl Eltern, Kinder als auch die Lehrkräfte gut. Daher haben wir relativ zügig den Bereich „Ganztagsschulkooperationen“ aufgebaut.
War bzw. die Kooperation in euren Augen ein Erfolg?
Auf jeden Fall! Als etwas später auch die weiterführenden Schulen zu Ganztagsschulen ausgebaut wurden, wurden wir dort ebenfalls aktiv. Mittlerweile sind wir Partner von 9 Grundschulen und 11 weiterführenden Schulen. Der Bereich der Schul-Kooperationen ist in 10 Jahren so stark gewachsen, wie der gesamte Verein zuvor in 130 Jahren. Für uns ist dieser Bereich nun eine zweite Säule. Die Wichtigkeit hat sich vor allem während Corona gezeigt. Während wir viele Mitglieder verloren haben, haben die Schul-Kooperationen uns eine gewisse Stabilität gegeben. Außerdem kommen Kinder so schon früh mit dem Verein, dem Sportangebot und den Trainer*innen in Berührung, so dass eine Bindung entsteht.