SV Vaihingen: Vom Ehrenamt zum Geschäftsführer

Interview Markus Löw

Hallo Markus, was ist deine Hintergrundgeschichte?

Ich bin 30 Jahre und spielte früher in der Landesliga Fußball. Nach der Schule begann ich ein berufsbegleitendes Bachelor-Studium im Fach Sportmanagement mit dem Arbeitgeber Württembergischer Landessportbund. Direkt im Anschluss an das Studium wurde ich dann hauptamtlicher Geschäftsführer beim SV Vaihingen. Nebenher habe ich dann zusätzlich noch eine Fortbildung beim Sportbusiness-Campus in Fürth gemacht, sowie ein berufsbegleitendes Master-Studium ebenfalls am Sportbusiness-Campus in Wolfsburg. Nach fünf Jahren als Geschäftsführer in Vaihingen, wollte ich mich gerne beruflich verändern und bin zum DFB gewechselt. Dort arbeite ich nun im Management der A-Nationalmannschaft.

Wie müssen wir uns den SV Vaihingen als Verein vorstellen?

Der SV Vaihingen ist ein Sportverein mit zwölf Abteilungen und rund 2.500 Mitgliedern. Der Fokus des Vereins lag und liegt dabei ganz klar auf dem Breiten- und Gesundheitssport. Bevor ich begonnen habe, war die Mitgliederentwicklung im Verein leicht rückläufig. Eine Entwicklung, die auch leider in den meisten anderen Vereinen der Region zu beobachten war.

Unter anderem durch meine Tätigkeit konnten die Zahlen dann wieder stabilisiert werden, was auch daran lag, dass wir durch neue Sportangebote als Verein attraktiver wurden.

Wie kam es dazu, dass du nicht nur Spieler im Verein sein wolltest, sondern dich auch verstärkt engagiert hast?

Mir hat damals schon das Umfeld sehr gut gefallen. Zuerst war ich vier Jahre lang Mitglied, Spieler und Trainer in der Fußballabteilung. Danach war ich dann fünf Jahre lang hauptamtlicher Geschäftsführer. Ich habe damals die Chance gesehen, im Verein einiges zu entwickeln und eigene Ideen einbringen zu können und darauf hatte ich echt Lust.

Welche konkreten Aufgaben hast du im Verein als Hauptamtlicher übernommen?

Meine Hauptaufgabe war die Leitung der Geschäftsstelle. Dort war ich zum einen für das Personal zuständig, zum anderen hatte ich die Hauptverantwortung für Budgets, die Vereinsentwicklung und die Betreuung externer Partner wie Sponsoren, Pächter der Gaststätte, Schulen und Kitas. Außerdem war ich das Bindeglied zwischen den Abteilungen und damit Hauptansprechpartner des Vereins.

Warst du der einzige Hauptamtliche im Verein? 

Ich war zumindest der erste hauptamtliche Geschäftsführer. Allerdings gab es parallel zu mir und auch schon vor meiner Tätigkeit drei Mitarbeiterinnen auf der Geschäftsstelle, die auf 400€-Basis eingestellt waren. Zusätzlich gab es vereinzelte Trainer*innen auf Honorarbasis.

Wieso hat sich dein Verein schließlich dafür entschieden, aufs Hauptamt zu setzen?

Da der Verein immer weiter wuchs und die zunehmenden Anforderungen das Ehrenamt überfordert bzw. überlastet haben, wurde entschieden, zumindest teilweise aufs Hauptamt zu setzen. Das Ehrenamt sollte aber weiterhin eine wichtige Rolle spielen, denn ohne es funktioniert kein Verein!

Wie viele Stunden wöchentlich hast du gearbeitet?

Anfangs waren es erst einmal 20 Stunden, aber nach 1,5 Jahren wurde es zu einer Vollzeitstelle ausgebaut.

Warst du schon vorher ehrenamtlich in einer ähnlichen Position tätig?

Vorher war ich ehrenamtlich als Jugendtrainer tätig. Aber auch zu der Position merkt man: der größte Unterschied ist die Verantwortung! Als hauptamtlicher Mitarbeiter trägt man deutlich mehr Verantwortung und kann sich von dieser auch nicht so einfach wegstehlen. Das war aber auch die große Motivation für mich.

Du hast angedeutet, dass neben der Verantwortung das Hauptamt auch viele Vorteile mit sich bringt. Welche Vorteile sind das konkret?

Das sind einige. Ein großer Vorteil ist auf jeden Fall die zeitliche Kapazität des Hauptamts, wodurch man jederzeit ansprechbar und vor Ort sein kann. So konnten viele neue Handlungsfelder wie z.B. die Intensivierung der Sponsoringaktivitäten und der Austausch zu anderen Vereinen und auch zur Stadt ausgebaut werden.

Bei vielen Akteuren wirkt ein Verein direkt professioneller und interessanter, wenn er einen Geschäftsführer hat. Ich konnte dadurch zum Beispiel als Geschäftsführer viele Termine mit Pressevertretern vereinbaren und wurde auf einmal „gehört“. Somit bekamen wir viele Presseartikel, die über unser Engagement berichtet haben. Auch Unternehmen waren viel eher bereit, als Sponsor/Partner/Unterstützer zu fungieren, da ich auf einmal Zeit hatte, Konzepte zu erarbeiten und zu präsentieren und regelmäßige Gespräche mit ihnen geführt habe. Dadurch fühlten sie sich besser betreut.

Außerdem war da nun jemand, der sich rund um die Uhr um die Angelegenheiten der Mitglieder kümmerte  und den Verein dadurch nach vorne gebracht hat. Da ich acht Stunden und teilweise auch abends verfügbar und erreichbar war, wurden die Anliegen der Mitglieder und Abteilungen viel schneller aufgenommen und bearbeitet.

Außerdem verbesserte sich der Service für die Ehrenamtler, da ich mehr zeitliche Kapazitäten hatte und das Ehrenamt entlastet wurde. Man hatte auf einmal jemanden, der einem zur Seite stand und viele Dinge auch abnehmen konnte.

Gab es Projekte, die du als Hauptamtlicher umsetzen konntest, die als Ehrenamtlicher jedoch nur schwer umsetzbar gewesen wären?

Durch die zusätzliche Zeit konnte ich vor allem die Mitarbeit in Gremien der Stadt und im Zusammenschluss der Geschäftsführer Stuttgarter Vereine intensivieren. Dadurch bekam ich viel neuen Input, konnte aber auch selbst welchen liefern und konnte auch Lobbyarbeit verrichten und netzwerken. Außerdem war es mir möglich, ein Sponsoringkonzept aufzubauen und ich hatte die Zeit, die Kontakte dann auch zu pflegen. Ein großes Plus hier war eben, dass ich nicht nur abends oder am Wochenende Zeit in den Verein investieren konnte, sondern auch tagsüber, wo eben politische Gremien und Sponsoren gut erreichbar waren und ich daher viel mehr Termine wahrnehmen konnte.

Zudem investierte ich viel Zeit in die Vereinsentwicklung. Zum Teil konnte ich dafür auf eigene Erfahrungen und auf Inhalte aus dem Studium zurückgreifen, aber vor allem habe ich mich viel mit anderen Vereinen ausgetauscht, wofür ich jetzt Zeit hatte. Dort habe ich abgeschaut, was diese gut machen und was wir vielleicht adaptieren könnten. Natürlich habe ich mich auch regelmäßig mit dem Vorstand abgesprochen, wohin wir wollen und wie wir uns als Verein sehen.

Außerdem gab es einen intensiven und offenen Austausch mit den Abteilungen, die ja Experten auf ihrem Gebiet bzw. in ihren Sportarten sind. Im Gespräch habe ich versucht herauszufinden, wohin sich die Sportarten und Abteilungen hin entwickeln können und welche Randsportarten bzw. moderne Sportarten sich in den Verein integrieren lassen. So haben wir zum Beispiel Cheerleading neu in die Turnabteilung aufgenommen, was uns direkt ca. 40 neue Mitglieder beschert hat.

Ein großes Projekt war auch der Sportstättenbau. Hier war großer Stillstand im Verein und dadurch ist das Vereinsgelände eher „verfallen“ als modernisiert worden. Ich konnte diese sprichwörtlichen Baustellen mit viel Zeit und Engagement angehen und dadurch vieles erneuern, modernisieren und auf den Weg bringen. Meine Nachfolgerin konnte beispielsweise mein begonnenes Projekt abschließen und die uralte, leicht angeschimmelte Gymnastikhalle sanieren und sie mit großen Fenstern und modernen Spiegeln ausstatten. Hierfür habe ich lange gearbeitet und Gelder geniert. Nun hat der Verein eine ganz neue kleine Gymnastikhalle, die die Leute viel mehr anzieht.

Ein anderes Projekt war der Bau eines neuen Spielplatzes, für den ich Termine mit Sponsoren, Spendern und der Presse wahrgenommen habe. Wir haben es durch meine Kapazitäten geschafft, einen nachhaltigen Spielplatz für über 30.000€ zu bauen, ohne Vereins-Gelder investieren zu müssen. Ich habe zig Termine wahrgenommen und Präsentationen im Gemeinderat gehalten, um an die Gelder zu kommen. Diese Zeit und die Termine tagsüber hätte das Ehrenamt schlicht weg nicht wahrnehmen können

Du hast zunächst „nur“ Teilzeit für deinen Verein gearbeitet. Gab es da schon die Perspektive aufs Hauptamt oder hast du “nur” darauf spekuliert?

Auf der einen Seite habe ich natürlich darauf spekuliert, auf der anderen Seite hatte ich aber das klare Abkommen mit dem Präsidium, dass das Ziel eine 100% Stelle ist. Maßgeblich dafür war natürlich, wie diese neue Position vom Gesamtverein angenommen wird und wie viele zusätzlichen Gelder durch mich eingenommen werden können. Die Idee war, dass ich durch den Auf- und Ausbau des Sponsorings, eine steigende Professionalisierung, Einsparungen und neue Konzepte und Angebote mehr Gelder generieren kann.

Ging die Überlegung auf? Wie hat der Verein deine Stelle refinanzert?

Ja, auf jeden Fall. Zum einen durch das erweiterte Sponsoring, aber vor allem durch die Reduzierung von unnötigen Ausgaben, die ich durch Analysen ausmachen konnte.

So hatten wir zum Beispiel enorm hohe Fixausgaben für Versicherungen, Strom und Energie im Allgemeinen. Die Verträge waren gefühlt 100 Jahre alt und wurden einfach von Jahr zu Jahr verlängert ohne die Konditionen zu verbessern. Ich habe dann angefangen, alles auf den Prüfstand zu stellen. Durch Anbieterwechsel und Verhandlungen konnten wir so sehr viel Geld sparen. Auch durch die teilweise Digitalisierung der Mitgliederzeitung konnten Gelder und Ressourcen eingespart und der Verein gleichzeitig nachhaltiger werden.

Zudem konnten wir durch neue Angebote neue Einnahmen generieren. Ich habe zum Beispiel versucht, Kooperationen mit Unternehmen einzugehen,  um mit ihnen gemeinsam eine betriebliche Gesundheitsförderung aufzubauen und so gleichzeitig dann auch das Angebot für unsere Mitglieder um Kurse wie Yoga, Zumba und Pilates erweitern zu können. Dadurch konnte ich einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten, dass meine Stelle finanziert werden konnte. Außerdem wurde der Mitgliedsbeitrag ganz leicht angepasst und mein Verein hat vorher schon gut gewirtschaftet, so dass er über ausreichend finanzielle Mittel verfügte, um die Mehrkosten zu tragen und zwar ohne große Einschnitte für die Abteilungen.

Und was viele nicht wissen: Auch viele Städte und Kommunen unterstützen Vereine auf dem Weg zur Hauptamtlichkeit finanziell, ebenso die Landessportverbände. Das ist jedoch in allen Städten und Regionen anders geregelt, so dass man sich am besten Mal beim zuständigen Sportamt über die Möglichkeiten erkundigt.

Blieb es denn tatsächlich anfangs nur bei den 20 Stunden für den Verein?

Nicht so ganz. Ich habe auch ehrenamtliche Zeit als Trainer investiert und zusätzlich Schul-Kooperationen aufgrund meiner vorhandenen Lizenz übernommen.

Du hast angesprochen, dass es ein wichtiges Kriterium war, wie du beim restlichen Verein angenommen wurdest. Wie waren die Reaktionen zunächst?

Anfangs gab es schon ein paar skeptische Stimmen, da der Verein bis dahin rein ehrenamtlich geführt wurde und ich zusätzlich mit gerade einmal 23 Jahren ein sehr junger Geschäftsführer war. Bei Vielen hat man aber auch direkt eine Vorfreude gemerkt, dass eine neue Zeit im Verein anbricht. Durch meine offene, transparente Art habe ich es schnell geschafft, die meisten Skeptiker auf meine Seite zu ziehen.

Am Ende war der Tenor, dass das Hauptamt eine große Erleichterung und Unterstützung für das Ehrenamt dargestellt hat. Wenn beide Seiten ihre Position und die des anderen akzeptieren und wertschätzen, ist das ein großer Gewinn für den Verein. Es liegt aber immer auch an einem selbst, wie man seine Position wahrnimmt!

Du hast sehr viel Gutes über deine Erfahrungen berichtet. Wieso hast du schließlich doch im Verein aufgehört?

Das hatte weniger mit dem Verein selbst zu tun. Nach den fünf Jahren habe ich gemerkt, dass es an der Zeit ist, eine neue Herausforderung anzunehmen, um mich selbst persönlich wie inhaltlich weiter zu entwickeln. Außerdem hat der Profifußball mich bereits seit meiner Kindheit begleitet und fasziniert, so dass ich die Chance, beim DFB zu arbeiten einfach ergreifen musste.

Trotz deiner ganzen positiven Erfahrungen setzen immer noch ein Großteil der Vereine lieber ausschließlich aufs Ehrenamt, anstatt zusätzlich auch hauptamtliche Mitarbeiter*innen zu installieren. Was glaubst du, was die Hauptgründe dafür sind?

Ich glaube, da kommen verschiedene Faktoren zusammen. Ein Grund ist Unwissenheit, also dass das überhaupt eine Option ist, was die konkreten Vorteile sind und wie das Ganze überhaupt finanziert werden kann. Eine wichtige Rolle spielt auch das immer noch oft vorherrschende traditionelle Denken und die Einstellung: „Bisher ging es doch auch ohne“. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass viele Angst vor den zunächst hohen Ausgaben haben und nicht sehen, welche langfristigen positiven Effekte das Hauptamt – auch finanziell – auf den Verein haben kann.

Würdest du diesen Vereinen denn raten, aufs Hauptamt zu setzen?

Auf alle Fälle würde ich dazu raten. Jeder Verein und jede Situation ist natürlich unterschiedlich. Daher muss es jeder Verein auf sich selbst anpassen und individuelle Konzepte finden. Es muss ja nicht zwingend eine 100% Stelle sein, sondern auch eine 50% Stelle wäre denkbar oder sogar das Hauptamt mit einem anderen Vereinen zu teilen.  Grundsätzlich ist das Hauptamt aber ein sehr großer Gewinn und in meinen Augen die einzige Chance, in Zukunft als Verein überleben zu können.

Vielen Dank für das Interview, Markus!


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