• Michael Franke: „Eine Lobby für kleine Vereine schaffen“

    Michael Franke setzt sich in einer Interessensgemeinschaft für kleine Sportvereine ein. Denn er findet: Der Sport braucht eine größere Lobby.

    Michael Franke ist der Inbegriff eines Vereinskinds: Nachdem er als kleines Kind das Fußballspielen beim FT München Gern gelernt hat, durchlief er dort nicht nur alle Jugendmannschaften und wurde später Spieler in der Herren- und Seniorenmannschaft, sondern übernahm auch verschiedene Ämter. Seit vielen Jahren bekleidet er nun das Amt des 1. Vorsitzenden und setzt sich darüber hinaus in einer Interessensgemeinschaft vor allem für die Bedürfnisse kleinerer Vereine ein. Denn er findet: Der Sport braucht eine größere Lobby. 

    Hallo Michael, wie kommt es, dass du bereits seit einiger Zeit sportpolitisch aktiv bist? 

    Mich stört es bereits seit vielen Jahren, dass Sportvereine und der Sport zwar gerne von der Politik genutzt werden, wenn es sich gut in ihren Reden macht, aber wenn wir etwas brauchen, wir oft allein dastehen. So gibt es zum Beispiel kaum Möglichkeiten, um unkompliziert kleinere Summen Gelder zu bekommen. Stattdessen müssen Vereine zig aufwendige Anträge stellen bzw. fast schon betteln. Ich wollte und will noch immer die Situation der Vereine verbessern und die Gesellschaft und die Politik dafür sensibilisieren, welchen Wert der Sport und besonders der Fußball haben. 

    Und wieso hast du dich für die Gründung einer Interessensgemeinschaft entschieden? 

    Ich habe schon lange Zeit halb im Ernst, halb im Spaß gesagt, dass ich gerne eine Partei mit Fokus Sport gründen möchte. Der Gedanke wurde dann irgendwann realer – nur wurde es dann eine Interessensgemeinschaft statt einer Partei. Die Gründung eines Vereins oder einer Partei hätte wieder einen enormen bürokratischen Aufwand bedeutet, was wir so nicht wollten. Initiiert wurde diese von 10 Vereinsvertreter*innen. Mittlerweile sind wir jedoch eine ganze Reihe von Akteur*innen aus verschiedenen Bereichen. 

    Wäre das Übernehmen eines sportpolitischen Amtes nicht auch eine Alternative gewesen? 

    Tatsächlich haben wir relativ schnell nach unserer Gründung Angebote aus der Politik und von Verbänden bekommen, ob wir nicht in Gremien mitarbeiten wollen. Dies war jedoch keine Option für uns, weil wir dann wieder Teil des Systems gewesen wären und es uns vermutlich eher schwerer als einfacher gemacht hätte, Änderungen voranzutreiben. 

    Wie würdet ihr euch beschreiben? 

    Wir sehen uns als Vertreter*innen der kleinen Vereine. Dabei meinen wir jedoch auch noch Vereine, die um die 800 Mitglieder haben. Auf kommunaler Ebene werden eher die Stimmen der größeren Vereine gehört. Im Sportausschuss sitzen z.B. zwölf Vertreter*innen von großen Vereinen und nur zwei von kleinen.

    Die Realität in der Kommune ist aber genau andersherum. Natürlich ist es wichtig, dass auch die großen Vereine Gehör finden, aber man darf nicht vergessen: Die großen Vereine haben ganz andere Strukturen und Möglichkeiten, als es die kleinen haben und wenig Einsicht, wie deren Lage ist. Deswegen passiert auf kommunaler Ebene zu wenig für kleinere Vereine und das möchten wir ändern. 

    Der Sport und vor allem der Fußball schreiben in letzter Zeit vor allem Negativschlagzeilen. Wieso ist er in deinen Augen besser als sein Ruf? 

    Der Fußball hat einen enormen sozialen bzw. gesellschaftlichen Wert. Als Teamsport ist dort ein Gemeinschaftsgefühl unabdinglich. Es gibt dort ein schönes Sprichwort: Dem Ball ist es egal, wer gegen ihn tritt. 

    Und genau so ist es. Es spielt keine Rolle, welche Sprache du sprichst, was du arbeitest oder welche religiösen oder politischen Ansichten du hast. Im Sportverein werden Räume der Begegnung geschaffen und es treffen sich Personen und kommen ins Gespräch, die sich in einem anderen Kontext so nie sehen würden. Hinzu kommt natürlich, dass frische Luft und Bewegung superwichtig sind. 

    Gibt es dieses Bewusstsein auch in der Politik? 

    Ich habe das Gefühl, dass der Sport oft noch als ein bisschen rumlaufen und Bälle werfen bzw. treten gesehen wird. Allein ein Blick in die Bundestagswahlprogramme der Vereine hat gezeigt, wie gering der Stellenwert des Sports ist, denn er war dort kaum vertreten. Im Bereich der Gesundheitsförderung fand er zum Beispiel keine Erwähnung. 

    Und mit Blick auf die Mitglieder? 

    Sehr ambivalent. Ich erinnere mich noch daran, dass eine Mutter mal zu mir kam und es gar nicht glauben konnte, dass mein Engagement im Verein nicht mein Beruf ist. Ich habe ihr dann erklärt, dass mit den niedrigen Mitgliedsbeiträgen, die gezahlt werden, dies nicht möglich ist. Ich habe mir mal den Spaß gemacht auszurechnen, wie viel Geld dieehrenamtlich erbrachten Leistungen in unserem Verein mit gut 700 Mitgliedern wert sind. Da sind wir alleine bei uns bei einem Betrag von über einer halben Million Euro pro Jahr. Diese Rechnung machen jedoch viele Personen nicht. 

    Was glaubst du: Woher kommt das? 

    Ich glaube, bei vielen ist noch der Gedanke im Kopf verankert: „Das hat noch nie etwas gekostet“ und Vereine haben die Angst, dass sie dadurch wohlmöglich jemand ausschließen könnten. Viele Vereine tun sich auch damit schwer, sich als Dienstleister zu sehen. Aber Vereine haben sich weiterentwickelt. Es steht da nicht mehr nur eine Person rum, die einen Ball reinwirft, sondern qualifizierte Personen. Nur die Mitgliedsbeiträge, die haben sich nicht signifikant weiterentwickelt. 

    Wie kann sich das ändern? 

    Wir haben dafür das Projekt „Eisbrecher“ ins Leben gerufen. Wir diskutieren aktuell unsere Mitgliedsbeiträge ungefähr zuverdreifachen und dann mal sehen, was passiert. Mit den Mehrerlösen könnten wir die Trainer und Trainerinnenzumindest im Rahmen der steuerfreien Übungsleiterpauschale vergüten, die es ja genau dafür gibt. Wir glauben, dass wir dadurch eine Art Dominoeffekt lostreten können und andere Vereine nachziehen werden.

    Aber es muss sich jemand trauen, den Beginn zu machen. Daher der Begriff Eisbrecher. Grundsätzlich bedarf eine deutliche Anhebung der Mitgliederbeiträge vor allem absoluter Transparenz. Es muss absolut nachvollziehbar sein, was mit den Beiträgen passiert. Aktuell ermitteln wir die Zuordnung der bestehenden Kosten, um im Anschluss genau zu definieren, wie viele Mittel zusätzlich benötigt werden. Dafür Sponsoren zu suchen birgt letztlich enorme Risiken, wenn diese Mittel ausbleiben. Wenngleich die Wirtschaft auch gefordert ist, die Arbeit in den Vereinen, die letztlich die Basis für kreative, entscheidungsfreudige und sozial kompetente Mitarbeiter*innen schafft, zu unterstützen. 

    Und wie geht ihr eure Lobbyarbeit an?

    Am wichtigsten ist die Vorarbeit. Welche Personen in der Politik sind die richtigen Ansprechpersonen? Wofür stehen sie und ihre Parteien? Und dann den Kontakt mit ihnen suchen und ein Netzwerk aufbauen. Meiner Erfahrung nach funktioniert der persönliche Kontakt deutlich besser, als nur Emails oder ähnliches zu schreiben. Außerdem muss man seine eigenen Inhalte vorbereiten. Es reicht nicht, bloß alles zu kritisieren und Geld zu fordern. Stattdessen sollte man konkrete Probleme ansprechen, am besten mit Beispielen und konkrete Lösungsvorschläge unterbreiten. Ein weiterer Vorteil: Die Themen werden so für die Medien auch interessant. 

    Habt ihr auch eng mit der Presse zusammengearbeitet? 

    Ja, auf jeden Fall. Der Kontakt zu den Medien war mir auch schon immer in meiner Vereinsfunktion wichtig und ich habe ihn gepflegt. Das kam uns jetzt zugute. Zum Start unserer Interessensgemeinschaft haben wir eine Pressekonferenz abgehalten, die sehr gut von den lokalen Medien aufgegriffen wurde. Es ist zudem ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung erschienen, so dass die Politik und die Verbände gar nicht an uns vorbeikamen. Was ich jedoch spannend finde: Das unsere Themen nur von den Sportressorts aufgegriffen werden, obwohl sie ebenso politisch und gesellschaftlich relevant sind. 

    Ist euer Eindruck, dass die Politik euch und eure Anliegen ernst nehmen? 

    Ihnen ist schon bewusst, dass der Sport viele Wähler*innenstimmen auf sich vereint. Alleine in München sind es um die 600.000 Personen. Manchmal muss man aber auch etwas tricksen. Wir haben zum Beispiel bei den letzten Kommunalwahlen allen Kandidat*innen einen Fragekatalog zukommen lassen. An den dabei abgegebenen Statements müssen sich die in die politische Verantwortung gelangten Personen später messen lassen. Das Gute: Der Sport ist so breit aufgestellt, dass viele Personen sich dort wiederfinden und es gibt eigentlich kein Dorf ohne Sportverein. Das Thema geht also alle an!

    Was würdet ihr anderen Vereinen / Personen raten, die ebenfalls Lobbyarbeit machen wollen? 

    Einen langen Atem und die Bereitschaft viel Energie investieren zu wollen und zu können. Es reicht nicht aus, ein Thema einmal zu platzieren. Stattdessen muss man ständig Präsenz zeigen und den Entscheidungsträger*innen das Gefühl geben, dass man genau beobachtet, was sie entscheiden. 

    Habt ihr momentan ein Thema, an dem ihr besonders intensiv arbeitet?

    Ja, ein Fokusthema ist es, dass Sportvereine leichter an öffentliche Gelder kommen können. Außerdem arbeiten wir weiter daran, dass das Bewusstsein der Gesellschaft weiter dafür wächst, was Vereine alles leisten und welcher Apparat hinter so einem Verein steckt. Mittel- bis langfristig hoffen wir, dass die Themen auch auf Bundesebene an Gewichtigkeit gewinnen und die Finanzierung des Ehrenamts in Form steuerfreier Zuschüsse als öffentliche Aufgabe der Daseinssicherung eingeordnet wird. 

    Danke für das Interview!

    Siehe auch: „Wertschätzung und Anerkennungskultur alleieine reichen nicht“

  • FC Internationale Berlin: „Wertschätzung und Anerkennungskultur alleine reichen nicht“

    Gerd Thomas vom FC Internationale berichtet, wieso Hauptamt alternativlos ist und Wertschätzung alleine nicht ausreicht.

    Gerd Thomas ist nicht nur Vorsitzender des FC Internationale Berlin, sondern auch in der Initiative „Rettet die Amateure“ engagiert. In einem Gastbeitrag für Klubtalent berichtet er, wieso Hauptamt in manchen Vereinen alternativlos ist und es nicht mehr reicht, nur seine Wertschätzung für das Ehrenamt auszudrücken

    „Das Ehrenamt, es lebe hoch.“ Zur Untermauerung gibt es nun eine neue Studie, in der wieder einmal der Wert des Ehrenamtes hochgerechnet wird. In warmen Worten wird dazu von DFB-Funktionären propagiert: „Unsere gemeinsame Aufgabe in der Gesellschaft ist es, die Wertschätzung und Anerkennungskultur dafür weiter zu verbessern. Denn Ehrenamt ist und bleibt unbezahlbar.“ 

    Die Mahnung ist gut gemeint, doch Wertschätzung und Anerkennungskultur alleine werden nicht mehr reichen. In mittleren und größeren Vereinen braucht das Ehrenamt Unterstützung durch hauptamtliche Strukturen. 

    Die Last auf mehrere Schultern verteilen

    Das haben wir beim FC Internationale Berlin bereits vor einigen Jahren erkannt und wesentliche Dinge wie die Mitgliederverwaltung, den Spielbetrieb oder die Betreuung und Planung der Sportstätten professionalisiert. Ein Geschäftsstellenleiter wurde eingestellt, zusammen mit dem Bildungsträger RheinFlanke wurde ein Engagement-Projekt entwickelt, mit dem soziale und Teilhabe-Maßnahmen umgesetzt werden. Für das kommende Jahr soll es Unterstützung durch weitere hauptamtliche Kräfte geben. Zudem beschäftigt der Verein schon jetzt zwei FSJlerinnen für sportliche und Verwaltungsaufgaben sowie eine Werkstudentin mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit und Marketing. 

    Da der Verein momentan noch nicht über nennenswerte Sponsoren verfügt (was sich ändern soll), muss das Geld für das Hauptamt vor allem aus Beiträgen der Mitglieder und Spenden generiert werden. Hierfür war es nötig, die Mitgliedsbeiträge deutlich anzuheben, eine nie populäre Entscheidung. Durch eine sehr starke und transparente Kommunikation in den Verein hinein, konnten Spielerinnen und Spieler sowie Eltern aber überzeugt werden, dass der eingeschlagene Weg alternativlos ist, will sich ihr Club behaupten und weiterentwickeln. Denn die Bemühungen, für einen Verein mit mehr als 1200 Mitgliedern und 50 Teams im Spielbetrieb genügend Freiwillige zu finden, um die ganze anfallende Arbeit zu erledigen, erwiesen sich als illusorisch. Die Arbeitswelt hat sich einfach zu stark verändert, der Fachkräftemangel zwingt viele zu Überstunden. Gleichwohl werden die Ansprüche an einen Sportverein im Zentrum der deutschen Hauptstadt nicht gerade kleiner. 

    Durch Transparenz zu höheren Mitgliedsbeiträgen

    Letztlich war der Widerstand gering, nur sehr wenige hatten große Bedenken. Damit auch Menschen aus wirtschaftlich schwächeren Verhältnissen weiterhin im Verein sein können, wurden zwei Schritte vollzogen: Es gibt einen ermäßigten Beitragssatz für ärmere Personen, und es wurde bereits vor zehn Jahren der so genannte Inter-Sozial-Fonds eingerichtet. Mit diesem kann der Verein Mitgliedern in Notlagen unterstützen, aber auch dafür sorgen, dass niemand aus finanziellen Gründen bspw. von einer Mannschaftsreise ausgeschlossen bleibt. Vereinsintern wurde das geflügelte Wort „Internationale Solidarität“ geprägt. 

    Da der Verein sich für die Zukunft einiges vorgenommen hat, ist man auf der Suche nach Partnern, die den FC Internationale finanziell unterstützen, um bspw. das Nachhaltigkeits-Projekt noch stärker voranzutreiben. Dem Verein wurde 2021 als erstem Amateurclub das ZNU-Nachhaltigkeitszertifikat durch den TÜV Rheinland verliehen. Ein anderes Feld ist die (Aus-)Bildung, denn der Verein verfügt über sehr viele junge Menschen, über 700 sind unter 25 Jahre alt. Die Fachkräfte von morgen finden Unternehmen also nicht zuletzt auf dem Fußballplatz. Hier lohnt es sich, entsprechende Investitionen vorzunehmen. So kann sich der Vorstand durchaus vorstellen, eine*n Sozialarbeiter*in zu beschäftigen, der Trainerinnen und Trainer unterstützt. 

    Große Pläne für die Zukunft

    Der FC Internationale ist seit 2007 Integrationsstützpunkt der Sportjugend, wofür es allerdings keine Förderung gibt. Gleichwohl nimmt man diesen Titel als einer der wenigen Träger des DFB-Integrationspreises sehr ernst. Perspektivisch denken Vorstand und die AG Inter-Zukunft sogar über die Gründung einer gemeinnützigen Gesellschaft oder Stiftung nach. 

    Die anhaltende Corona-Pandemie verschärft die Herausforderungen für Vereine. Diese zu bewältigen, indem man das Ehrenamt einmal im Quartal lobt, wird nicht ausreichen. Ehrenamt kann nur so gute Dienste leisten, wie es die Bedingungen zulassen. Dazu gehören sowohl eine intakte Infrastruktur als auch ein kompetentes Hauptamt im Hintergrund. Wenn es dann noch gelänge, die Eltern stärker zur Mitarbeit zu motivieren, würde ein weiterer wichtiger Schritt gemacht. Auch daran arbeitet der FC Internationale – in Zusammenarbeit mit einer hauptamtlichen Expertin für Elternarbeit. 

    Auskünfte: 

    Gerd Thomas

    gerd.thomas@fc-inter.de

    Tel. 0171 – 784 94 13