• FTSV Heckershausen: Wieso der Vorstand nun 1.000 „Überstunden“ weniger machen muss

    Ein Telefonat hier zwischendurch, eine Mail da… das läppert sich. Wir haben dann für uns gemerkt, dass wir rund 1000 „Überstunden“ haben, dir wir gerne anderweitig besetzen wollen. Das entspricht ungefähr einer Teilzeit-Stelle.

    Nach 20 Jahren in der Industrie war es für Tobias Henne Zeit, eine neue Herausforderung zu suchen. Schnell war für ihn klar: Er möchte gerne im Sport arbeiten. Im Interview mit Klubtalent erzählt er, welcher kleine Trick den Vorstand des FTSV Heckershausen von einer hauptamtlichen Stelle überzeugt hat, wie die Stelle schließlich geschaffen wurde und ob er es sich vorstellen kann, noch einmal in der Industrie zu arbeiten. 

    Hallo Tobias, du bist die erste hauptamtliche Person beim FTSV Heckershausen: Wie kam es dazu, dass der Verein jemanden einstellen wollte?

    Die Entwicklung dieser Idee habe ich sozusagen hautnah miterlebt. Ich bin seit fünf Jahren beim Verein aktiv. Angefangen habe ich dort als Trainer von Leichtathletik-Gruppen. Nach einem Jahr kam der Vorstand auf mich zu, ob ich mir vorstellen könnte, ebenfalls im Vorstand zu arbeiten. Dies ist eher ungewöhnlich, weil man normalerweise vorher einige Jahre im Verein arbeitet, aber eine Person ist aus dem Vorstand ausgeschieden und sie waren sehr zufrieden mit meiner Arbeit. Für mich war das Annehmen des Angebots Ehrensache. Das Thema Hauptamt kam schon relativ zu Beginn meiner Amtszeit auf und auch vorher hat sich der Verein schon damit beschäftigt. Wir sind nur fünf Vorstandsmitglieder, haben dafür aber Tonnen von Arbeit auf unseren Schreibtischen liegen. Es wurden bzw. werden auch immer mehr statt weniger Aufgaben, egal, ob bürokratischer, juristischer oder administrativer Natur. Alle im Vorstand waren sich daher einig, dass sie eigentlich gerne im Vorstand bleiben möchten, aber das Arbeitspensum so kaum mehr zu stemmen ist.

    Gab es einen entscheidenden Punkt, wo ihr gesagt habt: Jetzt machen wir es? 

    Eigentlich gab es da zwei. Zunächst haben wir angefangen, genau zu notieren, welche Aufgaben wir überhaupt erledigen und wie viel Zeit wir als Vorstand dafür investieren. Und wir wussten zwar, dass wir viel Zeit investieren, aber als wir das nochmal schwarz auf weiß gesehen haben, haben wir schon nicht schlecht gestaunt. Ein Telefonat hier zwischendurch, eine Mail da… das läppert sich. Wir haben dann für uns gemerkt, dass wir rund 1000 „Überstunden“ haben, dir wir gerne anderweitig besetzen wollen. Das entspricht ungefähr einer Teilzeit-Stelle.

    Und was war der zweite Punkt? 

    Der Landessportbund Hessen hat die Initiative „Starker Sport, starker Verein“ initiiert. Dort konnte man sich für eine Vereinsberatung bewerben und wir wurden als einer von 15 Vereinen ausgewählt. Gemeinsam mit einem Berater haben wir uns dann in vier Workshops intensiver mit unserem Verein auseinandergesetzt und ein Schwerpunktthema war natürlich das Hauptamt. In der Zeit haben wir dann den Mut gefasst, den Schritt zu wagen. 

    Wie seid ihr dann vorgegangen? 

    In einem ersten Schritt mussten wir die Satzung anpassen, so dass Hauptamt bei uns überhaupt möglich war. Dann haben wir einen Kosten- und Finanzierungsplan aufgestellt. Bei der nächsten Jahreshauptversammlung haben wir uns das offizielle Okay unserer Mitglieder eingeholt. Danach haben wir dann die Stelle offen ausgeschrieben und Vorstellungsgespräche geführt. Ich habe mich auch ganz offiziell auf die Stelle beworben und sie schließlich auch bekommen. Startschuss war der 1.3. dieses Jahrs. Vorher bin ich noch aus dem Vorstand ausgeschieden, weil bei uns eine solche Doppelfunktion aus leitendem Ehrenamt und Hauptamt nicht möglich ist. 

    Haben sich außer dir noch viele andere Personen auf die Stelle beworben? 

    Ehrlich gesagt, hatten wir zu Beginn Sorge, dass sich niemand bewirbt. Wir dachten, dass eine Teilzeit-Stelle sowie unsere Anforderungen vielleicht abschrecken könnten, aber das Gegenteil war der Fall. Wir hatten elf Bewerbungen, die breit gefächert waren. Von Personen aus der Gemeinde, die z.B. in der Gemeindeverwaltung gearbeitet haben bis hin zu Personen, die geografisch gar nicht hier in der Gegend verortet waren, sondern z.B. in Norddeutschland. Wir wollten aber eine Person, die schon regelmäßig vor Ort sein kann. Am Ende bin ich es dann geworden. 

    Was hat dich dazu bewogen, dich für die Stelle zu bewerben? 

    Hier muss ich ein wenig weiter ausholen. Eigentlich bin ich Vollblut Produktmanager in einer Solar-Firma gewesen und konnte dort bereits relativ jung Verantwortung übernehmen. Ich war 20 Jahre in der Industrie unterwegs und habe sowohl die positiven als auch negativen Seiten erlebt. Aber wenn man dann irgendwann 40 ist und die Hälfte des Jahres nicht Zuhause, sondern auf Geschäftsreise ist, fragt man sich irgendwann, ob es noch das richtige für einen ist. Das ist bei mir auch nicht über Nacht geschehen, sondern war ein Prozess über mehrere Jahre. Ich kam dann zu dem Entschluss, dass ich gerne einen neuen Weg einschlagen und mir eine für mich sinnstiftende Aufgaben suchen möchte. Damals war es aber noch komplett offen, was das für mich bedeutet. Es hätte z.B. auch ein Handwerksjob werden können. 

    Das Rennen hat aber dann der Sport gemacht? 

    Ja, ich bin selbst ein Vereinskind und war früher auch Leistungssportler im Triathlon. Ich habe mich dann dazu entschieden, mich selbstständig zu machen und eine Beratungsfirma zu gründen. Dort berate ich Menschen, die ein sportliches Ziel haben und dies umsetzen möchten, z.B. an einem IronMan teilzunehmen. Zuerst habe ich dann eine klassische Lizenz-Ausbildung zum Leichtathletik-Trainer gemacht. Im Anschluss daran habe ich eine Ausbildung zum Fitnesstrainer und Ernährungscoach absolviert, die ich als Master Personal Trainer abgeschlossen habe.

    Und wieso nun der Schwenk in Richtung Vereinsarbeit? 

    Leider kam wie so vielen auch meinem kleinen Unternehmen die Coronakrise dazwischen und von jetzt auf gleich sind meine Umsätze weggebrochen. Die Schwimmbäder hatten zu, es gab keine Sportveranstaltungen mehr und selbst 1 zu 1 Coachings waren nicht mehr erlaubt. Ein halbes Jahr habe ich das noch durchgehalten, mich dann aber entschieden, erst einmal einen Cut zu machen. Da ich das Glück habe, dass meine Frau maßgeblich zum Familienunterhalt beiträgt, konnte ich es mir erlauben, mir ein halbes Jahr eine Auszeit zu nehmen und mich nur noch auf das Vereinstraining zu konzentrieren. In dieser Zeit ergab sich dann die Stellenausschreibung des Vereins und ich hatte das Gefühl, dass das für mich eine gute Kombination sein kann. Auf der einen Seite einen sicheren Job zu haben, mit dem ich auch Renten- und Versicherungstechnisch abgedeckt bin, der mir aber gleichzeitig Spaß macht und auf der anderen Seite nebenberuflich doch noch Selbstständig zu sein. 

    War ein Rückgang in die Industrie auch nochmal eine Option für dich? 

    Ein Kollege hat mich das letztens auch gefragt und ich muss sagen: Im Moment kann ich mir das nur schwerlich vorstellen. 

    Was sind deine Aufgaben im Verein? 

    Meine Aufgaben sind sehr vielfältig. Das fängt damit an, dass Eltern mich anrufen und fragen, ob die Schuhe ihres Kindes irgendwo aufgetaucht sind, die vergessen wurden. Dass ist aber eher etwas, dass zwar dazugehört, was aber nicht meine tagesfüllende Aufgabe ist. 

    Ein Schwerpunkt ist unsere Finanzen. Außerdem bin überall dort zu finden, wo Vereinsmitglieder und Ehrenamtlich mich brauchen. Das kann dann z.B. auch projektbezogen sein. Ein Beispiel: Wir richten jedes Jahr zwei sehr große Laufveranstaltungen aus. Früher wurden die Events rein ehrenamtlich umgesetzt, doch nun konnte der Projektmanagement Teil an mich ausgelagert werden und die Arbeitspakete für die Ehrenamtlichen wurden deutlich humaner. 

    Eine weitere Aufgabe war auch die Digitalisierung des Vereins, u.a. in der Mitgliederverwaltung und dies den Mitgliedern zu erklären und nahe zu bringen. Wir haben außerdem für den ganzen Verein einheitliche Vereinsbekleidung angeschafft und vorab Sponsorengeldern eingeworben. Zudem waren dieses Jahr Fördergelder ein großes Thema – vom Ausfindig machen bis hin zur Beantragung.

    Kannst du hier ein Beispiel nennen, wofür ihr Fördergelder beantragt habt? 

    Wir planen den Neubau unseres Vereinsclubhauses. Offiziell gehört uns dieses nicht, sondern der Gemeinde. Im Vorfeld der Bundestagswahl hat unser politischer Vertreter in Berlin mehr als eine Millionen Euro an Bundesfördermittel für den Neubau eingeworben. Damit wir bzw. die Gemeinde das Geld aber wirklich bekommen, war ein offizieller Förderantrag notwendig, der viel Arbeit mit sich gebracht hat. Aber wir sind optimistisch, dass der Antrag bald auch offiziell durch ist und dann geht es in die Planungs- und Umsetzungsphase.  

    Du arbeitest mittlerweile seit knapp neun Monaten im Verein. Wie wird das Hauptamt bisher angenommen? 

    Der Vorstand ist natürlich sehr glücklich über die neu geschaffene Stelle, da sie nun deutlich entlastet werden. Man muss aber auch sagen, dass nicht von und jetzt auf gleich alles reibungslos funktioniert. Obwohl ich vorher selbst im Vorstand war, brauchte es erst einmal eine Findungsphase und die Zusammenarbeit musste sich entwickeln. Hier ist Vertrauen essenziell. Auch die Abteilungsleitungen sind sehr dankbar über die hauptamtliche Stelle, weil ich auch ihnen viel Arbeit abnehme. Bei den Mitgliedern ist es, glaube ich, so, dass es ihnen prinzipiell egal ist, ob jemand hauptamtlich im Verein arbeitet oder ehrenamtlich. Was ihnen aber nicht egal ist, ist die Qualität der Vereinsangebote, dass sich jemand um ihre Anliegen kümmert und das Angebote regelmäßig stattfinden. Und dass ist im Zusammenspiel von Hauptamt und Ehrenamt deutlich besser umzusetzen als rein ehrenamtlich.

    Wie finanziert sich deine Stelle? 

    Bevor wir uns überlegt haben, wie wir die Stelle finanzieren, haben wir uns zuerst die Frage gestellt, was die Person überhaupt verdienen soll. Wir hatten hier zunächst gar keine Vorstellung. Wir wussten nur, dass es mehr als Mindestlohn sein wird, aber dass es definitiv kein Industrie-Gehalt sein kann. Wir haben uns dann an dem Tarif-Gehalt von Mitarbeitenden in einem Landessportbund orientiert. Erst im nächsten Schritt haben wir uns dann überlegt, wie wir das finanzieren. Der Status Quo bei uns ist: Wir haben relativ niedrige Mitgliedsbeiträge, aber gute Einnahmen über unsere Veranstaltungen, über die wir die meisten unserer Kosten decken können. Trotzdem haben wir uns dazu entschieden, den Beitrag human anzuheben, haben das bei der Mitgliedsversammlung angesprochen und es gab keine Gegenstimmen, sondern im Gegenteil, viel Verständnis. Außerdem haben wir Geld während Corona eingespart, da einige Ausgaben nicht getätigt wurden. So können wir die Kosten für meine Stelle erst einmal decken. 

    Und was sind eure Pläne für die Zukunft?

    Natürlich wollen wir mehr Mitglieder gewinnen. Unser nächstes Ziel ist daher, neue Sportangebote zu schaffen. Außerdem haben wir gerade Gedankenspiele, wie wir verstärkt Synergien mit anderen Vereinen in der Gemeinde schaffen können. Nach einem Jahr reflektieren wir außerdem nochmal, wie wir mit meiner 20 Stunden Stelle hinkommen und ob wir da nochmal nachjustieren müssen.  

    Ihr möchtet auch eine hauptamtliche Stelle schaffen? Dann hier entlang.

  • Eimsbütteler TV: So könnt ihr eure Ehrenamtlichen fördern, statt sie zu überfordern

    Im Interview erzählt Frank Fechner u.a. über seine Erfahrungen im Verein, warum geringe Mitgliedsbeiträge nicht die Lösung sind und über die höheren Erwartungen von Mitgliedern

    Nach seinem Studium hat Frank Fechner erstmal eine Karriere in der Politik eingeschlagen. Doch als das Angebot des FC St. Pauli kam, den Stadionneubau zu koordinieren, fand er seinen Weg in den Sport und wurde dort u.a. Leiter der Geschäftsstelle. Nach intensiven Jahren beim Fußballclub entschloss er sich, eine neue Herausforderung anzunehmen und wechselte zum Eimsbütteler TV, Hamburgs größtem Breitensportverein. Das Erfolgsgeheimnis des Vereins: Er setzt auf eine Mischung aus Tradition, Trendsportarten und Schulkooperationen sowie auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamt, denn nicht nur der Vorstand ist beim ETV hauptamtlich. Im Interview erzählt Frank Fechner u.a. über seine Erfahrungen im Verein, warum geringe Mitgliedsbeiträge nicht die Lösung sind und über die höheren Erwartungen von Mitgliedern. 

    Hallo Frank, ihr habt rund 15.000 Mitglieder. Wie organisiert ihr euch als Verein? 

    Früher war unser Verein in seiner Struktur stark ehrenamtlich geprägt und erst in den letzten 15 Jahren haben wir unsere Strukturen professionalisiert und setzen seitdem verstärkt aufs Hauptamt. Wir unterteilen uns dabei in Freizeitsport und Abteilungssport. Während der Abteilungssport (Fußball, Handball, etc.) noch ehrenamtlich geführt ist, setzen wir im Freizeitsport (u.a. Fitnessstudio, Fitnesskurse, Kindersport, Trendsport, Schwimmschule) vor allem aufs Hauptamt. Wir haben dafür um die 40 hauptamtlichen Mitarbeiter*innen und in den Abteilungen ca. 300 Ehrenamtliche. 

    Wieso setzt ihr auf diese Kombi?

    Ich setze mich immer dafür ein, dass man das Ehrenamt nicht überlasten darf. Daher bin ich großer Fan von Hauptamt an Stellen mit großer Verantwortung und dort, wo sich Aufgaben häufen, die nicht immer nur Spaß machen. So haben zum Beispiel viele Spaß daran, im Sport aktiv zu sein, aber wenn es darum geht, die Buchhaltung ehrenamtlich zu machen, nimmt die Zahl der Interessierten schon deutlich ab. Wenn man diese Aufgaben jedoch übernehmen muss, weil es sonst niemanden gibt, dann verdirbt das häufig die Freude am Ehrenamt. Daher bin ich ein Befürworter davon, Ehrenamt zu fördern, aber nicht zu überfordern. 

    Wie gewinnt ihr eure Hauptamtlichen?

    Viele unsere Mitarbeiter*innen kommen aus dem Verein, waren also hier Mitglied und haben dann die Chance ergriffen, im Verein zu arbeiten. Den meisten von ihnen ist es wichtiger, eine sinnvolle Tätigkeit auszuüben, anstatt viel Geld zu verdienen. Ein Kollege aus dem Vorstand hat zum Beispiel bei der Deutschen Bank gearbeitet, seinen Job dort jedoch gekündigt, weil es ihm keinen Spaß gemacht hat. Stattdessen kümmert er sich nun um die Vereinsfinanzen und ist dabei sehr glücklich. Und ich kann auch nur bestätigen, dass mir meine Arbeit Spaß macht und mich erfüllt. Und so geht es einigen und damit können wir auch werben. 

    300 Ehrenamtliche sind auch eine enorme Zahl. Habt ihr Probleme, Positionen nach zu besetzen? 

    Interessanterweise haben wir in den letzten Jahren weniger Probleme, Ehrenämter zu besetzen. Das war früher deutlich schwieriger. Meines Erachtens liegt das daran, dass wir Ehrenamtlichen die Unterstützung durch das Hauptamt anbieten. Die Ehrenamtlichen können sich so auf die Aufgaben konzentrieren, die sie wirklich machen wollen – also meistens was mit Sport. Wobei es natürlich immer auch Ehrenamtliche gibt, die eine Affinität zu Zahlen oder zur Prozessoptimierung oder ähnliches mitbringen. Auch für diese Personen haben wir noch Ehrenämter, so z.B. im Aufsichtsrat oder als Rechnungsprüfer*innen. Seit 8 / 9 Jahren besetzen wir auch diese Ämter problemlos. Ich habe das Gefühl, dass unsere Ehrenamtlichen zufrieden sind, weil das, was von ihnen erwartet wird, überschaubar ist. 

    Gibt es weitere Gründe für dich, aufs Hauptamt zu setzen, außer die Zufriedenheit der Ehrenamtlichen? 

    Die Mitglieder haben mittlerweile eine hohe Erwartung an das „Service-Niveau“ von Vereinen. Sie erwarten z.B., dass das Angebot stattfindet, auch wenn der Übungsleiter mal krank ist, oder dass jemand erreichbar ist, um ihre Fragen zu beantworten. Dies ist teilweise aber nur möglich, wenn es hauptamtliche Mitarbeiter*innen gibt, die dies gewährleisten können. Hinzu kommt, dass die Professionalisierung einiger Vereine generell zu einer höheren Erwartungshaltung auch an andere Vereine führt. 

    Würdest du sagen, dass Hauptamt für alle Vereine interessant ist? 

    Ich kann mal meinen Eindruck aus Hamburg schildern. In Hamburg gibt es eine starke Entwicklung hin zu Großsportvereinen, d.h. es gibt rund 25 Vereine mit über 2.500 Mitgliedern. 

    Diese Vereine sind oft gut aufgestellt, weil sie auf hauptamtliche Angestellte zurückgreifen können. Auch kleine Vereine mit wenigen Mitgliedern oder nur einer Sparte sind oft überlebensfähig, weil sie ihr Pensum auch ehrenamtlich stemmen können. Anders hingegen sieht es bei Mehrspartenvereinen oder mittelgroßen Vereinen aus. Diese haben meist keine hauptamtliche Kraft und können daher, was von Mitgliedern an Service erwartet wird, teilweise gar nicht leisten. Telefone sind nicht besetzt und die Geschäftsstelle teilweise nur einmal in der Woche. Zudem werden auf Anfragen und Trends nur spät reagiert, wenn überhaupt. So verlieren Mitglieder auch schonmal die Geduld mit Vereinen. Gerade in der Großstadt, wo es eine große Konkurrenz gibt, stehen diese Vereine enorm unter Druck. Hier können dann auch günstige Mitgliedsbeiträge nichts mehr retten. Wir sind z.B. relativ teuer in unseren Mitgliedsbeiträgen, was die Personen aber nicht abschreckt, da sie wissen, dass sie bei uns Qualität bekommen. 

    Vereine haben oft den Eindruck, dass hohe Mitgliedsbeiträge Mitglieder abschrecken. 

    Unser Beitrag war schon immer relativ hoch. Vor 15 Jahren lag der Beitrag bereits bei fast 20€. Unsere Beiträge müssen auch so hoch sein, da unser Verein eigene Sportanlagen besitzt und das kostet Geld. Aber die Vorteile, vor allem was die Verfügbarkeit angeht, wollen wir nicht missen. Daher haben wir mehrere eigene Hallen. Zwar nutzen wir auch öffentliche Hallen, sind aber weitestgehend unabhängig. Dafür sind wir im Vergleich zu privaten Sportanbietern immer noch günstig. Wer in ein Yoga-Studio geht, bezahlt 10€ pro Stunde, bei uns kann man für 25€ so viel Yoga im Monat machen, wie man möchte. Und auch unser Fitnessstudio ist nicht teurer. Unsere Erfahrung ist, dass man nicht ständig die Beiträge erhöhen sollte, sondern wenn man es macht, dann gleich richtig. So vermeidet man, dass man die Diskussion jedes Jahr aufs Neue führt. Wir erhöhen unseren Beitrag meist alle drei bis vier Jahre und dann aber um 5%-10%. 

    Wie kommuniziert ihr das an die Mitglieder? 

    Wir versuchen unsere Kosten gegenüber den Mitgliedern sehr transparent zu kommunizieren. Meist stoßen wir auch auf Verständnis, dass wir nach ein paar Jahren der Preisstabilität, ab und an auch mal die Preise anheben. Andere Vereine verfolgen auch die Strategie, jedes Jahr den Beitrag ein bisschen zu erhöhen und haben dies in der Beitragsordnung festgehalten. Das führt dann aber auch jedes Mal wieder zu Nachfragen. Wir informieren über unser Mitgliedermagazin und unsere Homepage und versuchen immer, dies mit einigen Monaten Vorlauf zu tun. Ehrlich gesagt, gibt es aber auch eine große Zahl von Mitgliedern, die die Erhöhung nur zur Kenntnis nehmen oder die Erhöhung gar nicht wahrnehmen. 

    Du hast eben vor allem die mittelgroßen Vereine thematisiert. Gibt es auch etwas, was du kleineren Vereinen raten würdest? 

    Ich würde kleinen Vereinen empfehlen, sich mit anderen Vereinen zusammenzutun. Wenn sich zum Beispiel drei kleinere Vereine zusammentun, könnten sie sich eine hauptamtliche Stelle leisten und auch sonst Synergieeffekte schaffen. Leider sieht man jedoch noch allzu oft, dass die Vereine sich bereits bei Dingen wie den Vereinsfarben nicht einig werden können und die Gespräche dann im Sande verlaufen. 

    Noch ein anderes Thema: Ihr arbeitet auch verstärkt mit Schulen zusammen. Wie kam es dazu? 

    Im Hamburg hat der Senat 2011 beschlossen, dass alle Grundschulen Ganztagsschulen werden sollen. Die Schulen konnten dann zwischen verschiedenen Modellen wählen und viele haben sich dafür entschieden, offene Ganztagsschulen zu werden, d.h. dass Jugendhilfeträger mit ihnen im Ganztag zusammenarbeiten. Gleichzeitig hat der Senat entschieden, dass Sportvereine sich als Jugendhilfeträger anbieten können und somit als Kooperationspartner für Schulen in Frage kommen. 

    Und ihr habt euch als ein solcher beworben? 

    Genau. Wir hatten damals die Befürchtung, dass die Kinder, wenn sie bis 16 Uhr in der Schule sind, danach nicht mehr in den Verein kommen, weil sie z.B. zu ausgepowert sind. Wir hatten die Sorge, dass wir den Nachwuchs verlieren. Daraufhin haben wir – sowie drei weitere Großsportvereine in Hamburg – uns an den Ganztagsschulen beworben und wurden gleich von vier Schulen ausgewählt. Unser Ansatz ist der der „bewegten Schule“, d.h. wir vertreten die Meinung, dass die Kinder, wenn sie sowieso bis 16 Uhr in der Schule sind, zumindest sich am Nachmittag bewegen sollten.  Das finden sowohl Eltern, Kinder als auch die Lehrkräfte gut. Daher haben wir relativ zügig den Bereich „Ganztagsschulkooperationen“ aufgebaut. 

    War bzw. die Kooperation in euren Augen ein Erfolg? 

    Auf jeden Fall! Als etwas später auch die weiterführenden Schulen zu Ganztagsschulen ausgebaut wurden, wurden wir dort ebenfalls aktiv. Mittlerweile sind wir Partner von 9 Grundschulen und 11 weiterführenden Schulen. Der Bereich der Schul-Kooperationen ist in 10 Jahren so stark gewachsen, wie der gesamte Verein zuvor in 130 Jahren. Für uns ist dieser Bereich nun eine zweite Säule. Die Wichtigkeit hat sich vor allem während Corona gezeigt. Während wir viele Mitglieder verloren haben, haben die Schul-Kooperationen uns eine gewisse Stabilität gegeben. Außerdem kommen Kinder so schon früh mit dem Verein, dem Sportangebot und den Trainer*innen in Berührung, so dass eine Bindung entsteht. 

    Vielen Dank fürs Interview!