• Ute Groth: Gestalten statt verwalten

    „FSJ, Praktikanten. Ohne einen täglichen Ansprechpartner auf der Vereinsanlage wäre das undenkbar, ohne Hauptamt, wäre das für uns alles schwer bis gar nicht möglich gewesen.“

    Lange Zeit hatte Ute Groth kein Bedürfnis, sich in einem Sportverein zu engagieren. Doch nach einem Schlüsselerlebnis bei einem Vereinsausflug änderte sich dies. Nachdem sich  kein neuer Vereinsvorstand für die DJK TUSA Düsseldorf finden ließ, entschloss sie sich kurzerhand den Vorsitz  zu übernehmen. Keine leichte Aufgabe, denn der Verein war rein ehrenamtlich geführt und das bei 1.400 Mitgliedern. Mittlerweile hat ihr Verein den Schritt zum Hauptamt gewagt – ausgelöst durch einen Impuls von außen. Für seine Vereinsarbeit hat die DJK TUSA Düsseldorf jetzt sogar den Zukunftspreis gewonnen.

    Hallo Ute, wie kamst du zur DJK TUSA Düsseldorf? 

    Mein Mann war ehrenamtlicher Trainer bei einem Fußballverein. Als wir dann einen Sohn bekommen haben, hat dieser natürlich auch irgendwann angefangen im Verein zu spielen. Zuerst hat mich das total genervt, dass die beiden am Wochenende immer weg waren und ich mit unserer Tochter daheim. Ich hatte aber auch keine Lust mitzufahren. Irgendwann wurden wir dann auf eine Vereinsfahrt mitgenommen. Wir hatten alle zwei Jahre einen Austausch mit einem englischen Verein. Auf dieser Fahrt habe ich gemerkt, dass Fußball auch Sozialarbeit ist und man den Kindern und Jugendlichen viel mitgeben kann. Danach habe ich mich dann auch in den Verein eingebracht und zum Beispiel bei der Organisation der Austausche oder der Pressearbeit geholfen. 

    Wie kam es dann dazu, dass du Vorstandsmitglied wurdest? 

    Der alte Vorstandsvorsitzende wollte sein Amt niederlegen und es fand sich niemand, der nachfolgen wollte. Sie haben dann unter den Mitgliedern in den Kreisen von Anwälten und Steuerberatern geschaut, aber niemand hat sich bereiterklärt, das Amt zu übernehmen. Bei der Jahreshauptversammlung bin ich dann einfach aufgestanden und habe gesagt: „Ich stell mich zur Verfügung.“ Das war 2008 und seitdem bin ich Vereinsvorsitzende. 

    In einem anderen Artikel hast du geschrieben, dass ihr als Verein sehr viele Projekte im Kopf hattet, diese aber nicht umsetzen konntet. Wieso? 

    In der Theorie ist es so, dass es für Sportvereine viele Möglichkeiten gibt, gefördert zu werden. Wir haben zum Beispiel einmal an einem größeren Förderprogramm teilgenommen, bei dem wir Sport in Altenheimen angeboten haben. Bevor man jedoch die Förderung erhält, muss man eine Projektskizze erstellen und dann den Förderantrag einreichen. Alleine das Antragsverfahren ist schon sehr aufwendig. Dann haben wir das Projekt durchgeführt und mussten es parallel dazu  dokumentieren und im Anschluss evaluieren. Es war so viel Aufwand, dass wir danach gesagt haben: „Einmal und nie wieder!“. 

    Und das konntet ihr ehrenamtlich nicht leisten? 

    Genau, Aufwand und Nutzen standen in keiner Relation, vor allem da wir alle Vollzeit berufstätig waren. Wir haben uns dann dazu entschlossen, nur noch sehr kleine und einfache Förderungen in Anspruch zu nehmen, wenn überhaupt. Zwei unserer Mitglieder im Vorstand waren immerhin freiberuflich tätig und hatten so die Möglichkeit auch mal tagsüber z.B. mit Ämtern zu telefonieren. Für das Förderprojekt war dies unerlässlich, z.B. für die Gespräche mit den Altenheimen. In einem normalen Anstellungsverhältnis könnte man das dem Arbeitgeber nicht zumuten.

    War das der Auslöser, dass ihr euch für eine hauptamtliche Angestellte entschieden habt? 

    Nein. Über den DJK-Sportverband hatten wir Kontakt zu  einem großen Verein in Köln. Dieser Verein hat immer davon erzählt, dass sie einen Geschäftsführer in Vollzeit haben und an sehr vielen Förderprogrammen teilnehmen können, so dass sich der Verein fasst nur darüber finanzieren kann. Wir haben darüber immer nur gestaunt, fingen aber an, uns mit dem Gedanken zu beschäftigen.

    Was war dann schlussendlich der Knackpunkt, dass ihr ebenfalls den Schritt gewagt hat? 

    Es war eher ein schleichender Prozess. Wir arbeiten als Verein viel mit anderen Vereinen zusammen und schauen, wie wir uns gegenseitig unterstützen können. Wir hatten dann gemeinsam mit einem anderen Verein wegen eines Projektes einen Termin beim Sportamt und Stadtsportbund Düsseldorf. Im Laufe des Gesprächs haben die Mitarbeiter  uns informiert, dass es ein Förderprogramm für kooperierende Vereine in Düsseldorf gibt, um eine hauptamtliche Geschäftsführung zu schaffen. Wir waren sofort begeistert von der Idee. 

    Wie ging es dann weiter? 

    Der andere Verein ist leider abgesprungen, weil sie Zweifel daran hatten, dass eine Person für zwei Vereine arbeiten kann. Der Stadtsportbund hat uns mit dem Hinweis dass unsere Mitgliederzahl und unsere Kooperationen mit anderen Vereinen, Schulen und Kindergärten durchaus für einen positiven Bescheid reichen kann, weiter unterstützt. Wir wurden als förderungswürdiger Verein eingestuft und somit eine hauptamtliche Stelle gefördert. Auch wenn es die Idee unterbewusst bei uns schon gab: Ausschlaggebend war am Ende der Impuls von außen, damit wir Hauptamt installieren. 

    Wie viel Geld wurde euch zur Verfügung gestellt? 

    Das ist gestaffelt. Die Förderung läuft über drei Jahre und im ersten Jahr bekommen wir 10.000€, im zweiten Jahr 6.000 € und im dritten Jahr dann noch 3.000€. 

    Nicht genug Geld, um die Stelle ausschließlich dadurch zu finanzieren. 

    Richtig, deswegen mussten wir die Mitglieder bei der nächsten Mitgliedsversammlung davon überzeugen, die Mitgliedsbeiträge etwas anzupassen. Das Ziel ist es, langfristig die Stelle selbstständig finanzieren zu können. 

    Waren die Mitglieder schnell überzeugt? 

    Es war zwischenzeitlich eine ziemliche Auseinandersetzung. Es kamen Argumente wie „Wieso brauchen wir denn auf einmal eine hauptamtliche Person? Früher ging es doch auch ohne.“ Doch am Ende konnten wir die zweifelnden Stimmen überzeugen und den Beitrag anpassen. Mittlerweile sind die Kritiker*innen auch vollends überzeugt und sehr glücklich, dass es eine Vollzeit-besetzte Geschäftsstelle gibt, an die sie sich jederzeit wenden können. 

    Von wie viel auf wie viel habt ihr eure Beiträge erhöht? 

    Das lässt sich so pauschal nicht sagen, weil wir je nach Sportabteilung gestaffelte Beiträge haben, zusammengesetzt aus Grundbeitrag und Abteilungsbeitrag. Im Schnitt hat sich der Beitrag für Erwachsenen um ca. 25 € im Jahr erhöht, so dass wir bei 160-200 € (Kinder 100-150 €) im Jahr sind. Wir mussten das aber wirklich auf den Wochenbeitrag runterbrechen und klar machen, dass es pro Woche kaum mehr als ein Bier in der Vereinskneipe mehr kostet. 

    Welche Argumente wurden gegen die Erhöhung vorgebracht? 

    Gerade die Erhöhung der Kinderbeiträge wurde kritisch gesehen, weil die Angst bestand, dass die Eltern sich diese nicht mehr leisten können. Aber bei uns im Verein gab und gibt es Sozialbeiträge, auf die Personen zurückgreifen können, die sich den „normalen“ Beitrag nicht leisten können. 

    Welchen Tipp würdest du anderen Vereinen geben, die die Beiträge ebenfalls erhöhen wollen? 

    Vorbereitung ist das A&O. Sich vorher schon zu überlegen, welche Zweifel aufkommen könnten und wie man diese widerlegt und nötige Zahlen und Fakten vorzubereiten. Gerade bei einer Mitgliederversammlung sind viele Personen da, die selbst ehrenamtlich aktiv sind und entsprechend nachvollziehen können, wie viel Arbeit im Verein steckt. 

    Wieso habt ihr euch dafür entschieden, die Stelle mit Anke zu besetzen?

    Anke ist schon seit Jahren ehrenamtlich in unserer Fußballabteilung sehr aktiv. Und die Tätigkeit hat ihr soviel Spaß gemacht, dass in ihr der Wunsch reifte, das zum Beruf zu machen. Sie hat dann auch die Ausbildung zur Vereinsmanagerin durchlaufen, was eine Voraussetzung für die Einstellung war. Da wir sie bereits aus der Arbeit im Verein als Organisations- und Kommunikationstalent kannten und sie mit den Strukturen des Vereins vertraut war, war es für uns keine schwere Entscheidung. Und wie sich herausstellte: Ein Glücksgriff. 

    Du meintest mal „Durch die Stelle wird das Ehrenamt entlastet und es kann gestalten statt verwalten“. Wie sieht für dich die Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamt aus? 

    Durch das Hauptamt wurden vor allem Strukturen geschaffen, die das Ehrenamt vorher nicht schaffen konnte. Wichtige Unterlagen lagen zum Beispiel bei verschiedenen Ehrenamtlichen verstreut, statt – wie jetzt – gesammelt an einer Stelle im Geschäftszimmer im Verein. Wir haben nun eine Person, die den Überblick hat und weiß, wer für was die richtige Ansprechperson ist. Sie kann Anfragen von Mitgliedern besser beantworten und auch mal Arbeitsgruppen einberufen und koordinieren. Das sind alles Sachen, die wir als Ehrenamtliche nun nicht mehr leisten müssen. Stattdessen können wir uns als Vorstand wieder mehr auf die Vereinsentwicklung konzentrieren, Konzepte entwickeln und Anke unterstützt uns bei der Umsetzung. Dadurch werden auch mehr Vereinsmitglieder ermutigt, neue Ideen einzubringen. 

    Viele Vereine leiden momentan unter der Pandemie. Konnte eure hauptamtliche Mitarbeiterin einen Beitrag dazu leisten, dass ihr krisenfester als Verein seid? 

    Ja, tatsächlich sind unsere Mitgliedszahlen auch seit der Pandemie weiterhin steigend. Zudem konnten wir durch Anke sehr zügig ein Hygienekonzept erarbeiten und umsetzen. Mit den ersten Lockerungen haben wir ein Buchungssystem für unsere Anlagen eingeführt und konnten so als einer der ersten Vereine in Düsseldorf wieder öffnen. 

    Gab es noch weitere positive Effekte durch das Hauptamt? 

    Ja, wir können jetzt zum Beispiel Praktikant*innen aus Schulen aufnehmen, die sich nun den Alltag in einem Verein anschauen können oder auch FSJ’lLer*innen einstellen, die uns in der sportlichen Arbeit unterstützen.  Unser FSJ’ler hat während der Lockdowns zum Beispiel Online-Trainingseinheiten durchgeführt. Ohne einen täglichen Ansprechpartner auf der Vereinsanlage wäre das undenkbar, ohne Hauptamt, wäre das für uns alles schwer bis gar nicht möglich gewesen.  

    Vielen Dank für das Interview! 

  • Dragons Marzahn: Für Hauptamt braucht es Mut

    300 Mitglieder, aber dafür 8 hauptamtliche Trainer*innen und einen Kiez-Koordinatoren. Die Dragons Marzahn haben es möglich gemacht.

    Angefangen als Anwalt ist Jannes Schneider-Oeser jetzt als Kiezkoordinator bei den Dragons Marzahn tätig. Im Interview mit Klubtalent erzählt er von mutigen Entscheidungen und innovativen Ideen, die der Verein trotz der finanziellen Herausforderungen angeht.

    Hallo Jannes, du bist mittlerweile Kiezkoordinator in Marzahn. Ursprünglich hast du allerdings Jura studiert. Wieso wurdest du doch kein Anwalt?

    Die Theorie während des Jura Studiums hat mir sehr viel Spaß gemacht. Als ich dann allerdings begonnen habe, in einer Kanzlei zu arbeiten, habe ich schnell gemerkt: Das will ich definitiv nicht mein ganzes Leben machen. Es war mir zu trocken und ich hatte mehr mit Excel-Tabellen als mit Menschen zu tun.

    Und wie kamst du dann zu einem Job im Sport?

    Nachdem ich gemerkt habe, dass mir das Anwalt sein keine Freude bereitet, habe ich überlegt: Was macht mir Spaß? Ich wollte gerne etwas machen, bei dem ich mit vollem Herzen dabei bin. Ich war schon früher als Trainer aktiv und hatte dann das Glück, dass Freunde mir den Kontakt zu Alba Berlin hergestellt haben. 2016 habe ich dort in der Online Redaktion angefangen und dort auch Teams betreut. Ich habe dann festgestellt: Genau in die Richtung möchte ich gehen. Über Alba kam ich dann zu deren Partnerverein nach Marzahn, wo ich jetzt arbeite.  

    Was ist dein aktueller Job?

    Ich bin Kiezkoordinator des Kooperationsverbundes Alba Wuhlethal, sowie Trainer und sportlicher Leiter der Dragons Marzahn.

    Was sind deine Aufgaben als Kiezkoordinator?

    Als Kiezkoordinator kümmere ich mich darum, Kontakte zu Schulen und Kitas herzustellen und zu pflegen und Honorar- und Kooperationsverträge abzuschließen und abzurechnen. Außerdem stelle ich Trainer*innen ein, übernehme die Personalverwaltung und darf Events planen und durchführen. Ich übe die Tätigkeit im Hauptamt aus, arbeite also 40 Stunden die Wochen.

    Was macht dir so viel Spaß an deinem Job?

    Ich mag es, etwas Praktisches mit Menschen zu machen. Der Klassiker eben. Vor allem ist die Tätigkeit auch sehr abwechslungsreich. So verbringe ich neben der Halle zum Beispiel viel Zeit im Büro. Das ist  auch die Zeit in der ich sehr kreativ arbeiten und mich Projekten widmen kann. Ich denke mir dann neue Konzepte aus und überlege, wie man sie umsetzen kann. Ich trage also auch Verantwortung, was ich persönlich sehr mag. Außerdem ist es wahnsinnig toll ein Projekt von der Idee bis zum Ende zu begleiten. In der Form wie hier gibt es das wohl nur bei wenigen Jobs. Ich kann sowohl Dinge selbst machen, als auch mir Kompetenzen von außen hinzuholen, wenn ich mal nicht weiterkomme. Wenn das Projekt dann auch noch erfolgreich ist, ist es umso schöner. Außerdem freue ich mich, dass ich so auch was für die Gesellschaft leisten kann und nicht nur für mich selbst.

    Das klingt auf jeden Fall toll. Bist du der Einzige, der hauptamtlich arbeitet?

    Nein, im Gegenteil. Wir haben unter anderem zwei Trainer, die hauptamtlich mit einem Umfang von 40 Stunden arbeiten. Außerdem haben wir einen dualen Studenten, der auf 30 Stunden kommt. Dazu kommen noch drei Minijobber, die jeweils zehn Stunden arbeiten, zwei FSJ’ler sowie fünf Honorartrainer.

    Ihr beschäftigt wirklich viele Leute. Wie groß ist euer Verein denn?

    Als Verein selbst sind wir gar nicht so groß. Wir haben so ca. 300 Mitglieder. Wir finanzieren allerdings unsere Stellen durch den Kooperationsverbund aus Schulen, Kitas, Wirtschaftspartner*innen und der Senatsverwaltung. Dieser wurde 2016 gegründet und besteht mittlerweile aus sechs Kitas, sechs Grundschulen und zwei Oberschulen. Über den Verbund bespielen wir jetzt 1.200 Kinder die Woche, zusätzlich zu den 300 Mitgliedern aus dem Verein. Im Schnitt sind wir in jeder Schule ca. sieben Stunde die Woche und an jeder Kita fünf Stunden. Dadurch entwickelt sich ein Stundenumfang, der es uns erlaubt, Trainer*innen hauptamtlich anzustellen. Unsere Mitgliedsbeiträge allein würden leider im Moment nicht reichen.

    Wie finanzieren sich die Stellen dann?

    Das ist sehr unterschiedlich. An den Schulen läuft es meist über die Personalkosten oder über Bonusprogramme. Die Schulen wenden also ihre eigenen Töpfe auf. An den Kitas werden einige über die Senatsverwaltung gefördert, genauer gesagt über das Projekt „Vereine machen Kita“.  An diesen Kitas sind wir sogar acht Stunden die Woche. Die anderen Kitas werden dann über die Wohnungsbaugesellschaften der Kieze finanziert.

    Wieso habt ihr euch dafür entschieden, aufs Hauptamt zu setzen?

    Unser Vereinsvorsitzender Florian Lau ist eng mit Alba Berlin vernetzt und zudem Schulsportbeauftragter des Landes.  Er hat lange überlegt, wie man Sportvereine und Schulen besser miteinander verknüpfen kann, gerade mit Hinblick auf den Ganztagsunterricht. Gemeinsam mit Alba Berlin hat das Land dann das Projekt „Alba macht Schule“ ins Leben gerufen, ein mittlerweile deutschlandweit bekanntes Pilotprojekt. Wir haben uns dann im Windschatten angedockt und wurden  Partnerverein. Damit leisten wir auch einen Beitrag zu einer sozial-gerechten Stadt, denn auch wir möchten, dass alle Kinder Zugang zu Sport haben, und damit zu Bewegung und Gesundheit.

    Was sind die Vorteile?

    Für große Vereine liegen die Vorteile neben den ideellen Werten vor allem in der Reputationsgewinnung. Somit ist es eine tolle Gelegenheit, Fans zu gewinnen. Fakt ist, von 1.000 Kinder wird vielleicht nur einer am Ende Profi. Die anderen 999 werden aber dafür Basketballbürger, also Fans, die dem Basketball treu bleiben und hoffentlich lebenslang Spaß an Bewegung finden.

    Und für kleinere Vereine wie euch?

    Für uns ist vor allem die Mitgliedergewinnung entscheidend. Durch die Schulen und Kitas haben wir leichter Zugang zu Kindern, die potenzielle Mitglieder sind. Zudem können wir so die Weichen für hauptamtliche Trainer*innen stellen, die wir uns anders nicht leisten könnten. Hauptamt ist deswegen wichtig, weil vor allem junge motivierte Trainer nur dann bleiben, wenn sie Geld bekommen und nicht zwischen vier Vereinen hin und herspringen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Die meisten nehmen dafür gerne „in Kauf“, dass sie dann auch an Schulen und Kitas arbeiten müssen.

    Welche Auswirkungen hätte es auf euren Verein gehabt, wenn niemand diesen Mut aufgebracht hätte?

    In erster Linie wären wir nicht unserem Ideal nachgekommen. Weit weniger Kinder würden durch uns in Berührung mit Sport kommen. Wir hätten weniger Mitglieder, keinen Kooperationsverbund mit dem wir Kinder an Sport heranführen, deutlich weniger weibliche Spielerinnen, wären qualitativ sowohl in der Trainer*innen- als auch Spieler*innenausbildung bedeutend schlechter. Es gäbe keine Angebote für Kinder zwischen 4 und 10 Jahren und keine Sportprofilklasse für Talente. Wir wären einfach nur irgendein Verein, nicht Teil des Kiezes und erst recht nicht Dreh- und Angelpunkt der Sportwelt Marzahn-Hellersdorf. Wir könnten die Bewegungspolitik des Bezirkes nicht mitgestalten.

    Merkt ihr denn, dass viele Kinder, mit denen ihr das erste Mal in den Schulen und Kitas Kontakt habt, tatsächlich auch zum Verein kommen?

    Wir haben gerade dazu eine Erhebung gemacht und haben festgestellt, dass wir seit dem Projektstart 2016 ein sehr starkes Mitgliederwachstum haben. Innerhalb von vier Jahren sind wir von 200 auf 300 Mitglieder gewachsen. Vor allem im weiblichen Bereich konnten wir stark wachsen. Vorher hatten wir hier ehrlichgesagt Probleme, da wir nicht richtig wussten, wie wir die Mädchen erreichen und dann auch für den Verein gewinnen können. Im Verein soll aber perspektivisch mehr auf Leistungssport gesetzt werden. Für Kinder und Jugendliche, die mehr machen wollen. Der Breitensport soll dann vor allem über die Schulen und Kitas abgedeckt werden. Vielen Kindern reicht es auch, Basketball bloß in den AGs zu spielen. Für alle anderen bieten wir im Verein dann ein Zusatzangebot an.  

    So viele hauptamtlich Engagierte stellt man nicht von heute auf morgen ein. Was waren zu Beginn die größten Hürden?

    Da gab und gibt es bis heute vor allem zwei Hürden. Die erste Hürde: Es braucht immer einen Mutigen, der vorangeht. Und hier hatte unser Verein sehr viel Glück. Unser Vorstand ist immer wieder dazu bereit, neues auszuprobieren. Und sie hatten auch den Mut zu sagen: Wir stellen jetzt jemanden ein, der das Ganze koordiniert. Und da wären wir auch bei der zweiten Hürde: Meine Koordinationsstelle. Diese ist sehr schwer zu finanzieren, aber unerlässlich für so ein Projekt. Es fällt viel Arbeit an, den das Ehrenamt bzw. der Vorstand gar nicht bewältigen kann. Viele Geldgeber verstehen allerdings nicht, was der direkte Nutzen ist. Die sehen nur: Ah da sitzt jemand im Büro, aber davon profitieren die Kinder ja nicht direkt. Da braucht es wieder diesen einen Mutigen, der vorangeht. Durch die Koordinationsstelle konnte schließlich jedoch so viel abgearbeitet werden, dass wir wieder Gelder für andere Projekte generieren konnten. Wir haben durch die Stelle Zeit- und Personalressourcen gebündelt, die uns voranbringt.

    Wie wird deine Stelle finanziert?

    Meine Stelle wurde ursprünglich anteilig über die Schulen finanziert. Allerdings haben viele Schulen dagegen gewehrt aus den oben genannten Gründen. Seit zwei Jahren wird meine Koordinationsstelle durch den Landessportbund finanziert, die ¾ meiner Stelle bezuschussen. Das letzte Viertel bezahlt Alba Berlin. Allerdings sind wir gerade am Scheideweg. Am Ende des Jahres läuft die Finanzierung aus und wir überlegen eine neue Finanzierungsmöglichkeit, denn wir werden es in den nächsten zwei Jahren nicht schaffen, diese allein aus den Mitgliedsbeiträgen zu stemmen. Der Landessportbund hat uns zumindest fünf Stunden für die nächsten zwei Jahre zugesichert, aber danach ist Schluss. Was aber schonmal eine tolle Hilfe ist. Wir haben zudem noch eine weitere Stütze: Bewegungsnetzwerker, ein Projekt des Deutschen Sport- und Präventionsnetzwerk. Hier sollen sportartenübergreifend Kinder mobilisiert und alle Sportarten im Kiez gefördert werden. Auch sie haben uns zumindest 10 Stunden versprochen, für Aufgaben, die Kita und Schule betreffen. Und dann sind wir noch im Gespräch mit ein, zwei Stiftungen.

    Ganz schön zerstückelt.

    Ja, das ist auch sehr nervig und Ziel ist es, dass wir die Stelle selbst finanzieren können und zwar nachhaltig. Im Hinblick auf den sozialen Kiez ist eine Mitgliedsbeitragsanpassung immer schwierig, aber wir suchen nach Lösungen.

    Habt ihr denn noch andere Projekte außer der Zusammenarbeit mit den Schulen und Kitas?

    Ja, zum Beispiel ein Projekt, um mehr Mädchen für den organisierten Sport zu begeistern, vor allem langfristig. Das Projekt läuft auch sehr gut. Auch Schiedsrichter*inngewinnung, Trainer*innengewinnung oder die Gewinnung von neuen Vorstandsmitgliedern ist für uns wichtig. Außerdem hatten wir Geflüchtetenprojekte. Aber so eine Masse an Projekte ist eben nur mit entsprechenden Ressourcen umsetzbar…  

    Welche Pläne gibt es für die Zukunft?

    Natürlich gibt es einen Wunsch der Expansion, aber in einem gesunden Maß. Lieber machen wir an einer Kita oder Schule noch ein paar Stunden mehr, als überall ein bisschen. Aber das Ziel ist es, irgendwann alle Schulen und Kitas bei uns im Kiez zu bespielen. Vor allem die Kitasportangebote haben wir erst vor zwei Jahren begonnen, hier gibt es noch viel Potenzial. Hierfür haben wir auch eine Spielsammlung aufgebaut, die sich an den Kompetenzen der Kinder mit Blick auf den Rahmenlehrplan der Senatsverwaltung orientiert. Diese soll noch weiter anwachsen und auch anderen Vereinen zur Verfügung gestellt werden. Zudem haben wir am Barnim-Gymnasium eine Sportprofilklasse gründen können. Das wollen wir ebenfalls an einer Gesamtschule einführen. Damit jedes Kind, dass wir mal betreut haben, die Chance hat, auch an einer weiterführenden Schule ein begleitendes Sportangebot zu haben. Die Idee hier ist, dass die Jugendlichen von der 7. Klasse bis zum Schulabschluss jede Woche fünf Stunden Basketball haben: Zwei der vier regulären Sportstunden, zwei Stunden AG plus eine weitere Stunde Frühtraining. Zwei Stunden haben sich zudem normalen Sportunterricht.

    Was muss sich deiner Meinung nach noch verändern, damit die Gesellschaft noch mehr vom Sport profitieren kann?

    Ich finde, es braucht Mut. Auch von den obersten Instanzen, die dann auch Stellen wie die meine fördern. Das gesellschaftliche Gewissen könnte hier bei vielen Institutionen noch stärker ausgeprägt sein. Aber ich habe die Hoffnung, dass sich da etwas bewirken lässt und man zusammen was auf die Beine stellen kann, wovon die Gesellschaft wirklich profitiert.

  • SV Vaihingen: Vom Ehrenamt zum Geschäftsführer

    Mit 23 übernahm Markus die erste hauptamtliche Position des Geschäftsführers beim SV Vaihingen. Hier erzählt er Alles zur Umstellung.

    Hallo Markus, was ist deine Hintergrundgeschichte?

    Ich bin 30 Jahre und spielte früher in der Landesliga Fußball. Nach der Schule begann ich ein berufsbegleitendes Bachelor-Studium im Fach Sportmanagement mit dem Arbeitgeber Württembergischer Landessportbund. Direkt im Anschluss an das Studium wurde ich dann hauptamtlicher Geschäftsführer beim SV Vaihingen. Nebenher habe ich dann zusätzlich noch eine Fortbildung beim Sportbusiness-Campus in Fürth gemacht, sowie ein berufsbegleitendes Master-Studium ebenfalls am Sportbusiness-Campus in Wolfsburg. Nach fünf Jahren als Geschäftsführer in Vaihingen, wollte ich mich gerne beruflich verändern und bin zum DFB gewechselt. Dort arbeite ich nun im Management der A-Nationalmannschaft.

    Wie müssen wir uns den SV Vaihingen als Verein vorstellen?

    Der SV Vaihingen ist ein Sportverein mit zwölf Abteilungen und rund 2.500 Mitgliedern. Der Fokus des Vereins lag und liegt dabei ganz klar auf dem Breiten- und Gesundheitssport. Bevor ich begonnen habe, war die Mitgliederentwicklung im Verein leicht rückläufig. Eine Entwicklung, die auch leider in den meisten anderen Vereinen der Region zu beobachten war.

    Unter anderem durch meine Tätigkeit konnten die Zahlen dann wieder stabilisiert werden, was auch daran lag, dass wir durch neue Sportangebote als Verein attraktiver wurden.

    Wie kam es dazu, dass du nicht nur Spieler im Verein sein wolltest, sondern dich auch verstärkt engagiert hast?

    Mir hat damals schon das Umfeld sehr gut gefallen. Zuerst war ich vier Jahre lang Mitglied, Spieler und Trainer in der Fußballabteilung. Danach war ich dann fünf Jahre lang hauptamtlicher Geschäftsführer. Ich habe damals die Chance gesehen, im Verein einiges zu entwickeln und eigene Ideen einbringen zu können und darauf hatte ich echt Lust.

    Welche konkreten Aufgaben hast du im Verein als Hauptamtlicher übernommen?

    Meine Hauptaufgabe war die Leitung der Geschäftsstelle. Dort war ich zum einen für das Personal zuständig, zum anderen hatte ich die Hauptverantwortung für Budgets, die Vereinsentwicklung und die Betreuung externer Partner wie Sponsoren, Pächter der Gaststätte, Schulen und Kitas. Außerdem war ich das Bindeglied zwischen den Abteilungen und damit Hauptansprechpartner des Vereins.

    Warst du der einzige Hauptamtliche im Verein? 

    Ich war zumindest der erste hauptamtliche Geschäftsführer. Allerdings gab es parallel zu mir und auch schon vor meiner Tätigkeit drei Mitarbeiterinnen auf der Geschäftsstelle, die auf 400€-Basis eingestellt waren. Zusätzlich gab es vereinzelte Trainer*innen auf Honorarbasis.

    Wieso hat sich dein Verein schließlich dafür entschieden, aufs Hauptamt zu setzen?

    Da der Verein immer weiter wuchs und die zunehmenden Anforderungen das Ehrenamt überfordert bzw. überlastet haben, wurde entschieden, zumindest teilweise aufs Hauptamt zu setzen. Das Ehrenamt sollte aber weiterhin eine wichtige Rolle spielen, denn ohne es funktioniert kein Verein!

    Wie viele Stunden wöchentlich hast du gearbeitet?

    Anfangs waren es erst einmal 20 Stunden, aber nach 1,5 Jahren wurde es zu einer Vollzeitstelle ausgebaut.

    Warst du schon vorher ehrenamtlich in einer ähnlichen Position tätig?

    Vorher war ich ehrenamtlich als Jugendtrainer tätig. Aber auch zu der Position merkt man: der größte Unterschied ist die Verantwortung! Als hauptamtlicher Mitarbeiter trägt man deutlich mehr Verantwortung und kann sich von dieser auch nicht so einfach wegstehlen. Das war aber auch die große Motivation für mich.

    Du hast angedeutet, dass neben der Verantwortung das Hauptamt auch viele Vorteile mit sich bringt. Welche Vorteile sind das konkret?

    Das sind einige. Ein großer Vorteil ist auf jeden Fall die zeitliche Kapazität des Hauptamts, wodurch man jederzeit ansprechbar und vor Ort sein kann. So konnten viele neue Handlungsfelder wie z.B. die Intensivierung der Sponsoringaktivitäten und der Austausch zu anderen Vereinen und auch zur Stadt ausgebaut werden.

    Bei vielen Akteuren wirkt ein Verein direkt professioneller und interessanter, wenn er einen Geschäftsführer hat. Ich konnte dadurch zum Beispiel als Geschäftsführer viele Termine mit Pressevertretern vereinbaren und wurde auf einmal „gehört“. Somit bekamen wir viele Presseartikel, die über unser Engagement berichtet haben. Auch Unternehmen waren viel eher bereit, als Sponsor/Partner/Unterstützer zu fungieren, da ich auf einmal Zeit hatte, Konzepte zu erarbeiten und zu präsentieren und regelmäßige Gespräche mit ihnen geführt habe. Dadurch fühlten sie sich besser betreut.

    Außerdem war da nun jemand, der sich rund um die Uhr um die Angelegenheiten der Mitglieder kümmerte  und den Verein dadurch nach vorne gebracht hat. Da ich acht Stunden und teilweise auch abends verfügbar und erreichbar war, wurden die Anliegen der Mitglieder und Abteilungen viel schneller aufgenommen und bearbeitet.

    Außerdem verbesserte sich der Service für die Ehrenamtler, da ich mehr zeitliche Kapazitäten hatte und das Ehrenamt entlastet wurde. Man hatte auf einmal jemanden, der einem zur Seite stand und viele Dinge auch abnehmen konnte.

    Gab es Projekte, die du als Hauptamtlicher umsetzen konntest, die als Ehrenamtlicher jedoch nur schwer umsetzbar gewesen wären?

    Durch die zusätzliche Zeit konnte ich vor allem die Mitarbeit in Gremien der Stadt und im Zusammenschluss der Geschäftsführer Stuttgarter Vereine intensivieren. Dadurch bekam ich viel neuen Input, konnte aber auch selbst welchen liefern und konnte auch Lobbyarbeit verrichten und netzwerken. Außerdem war es mir möglich, ein Sponsoringkonzept aufzubauen und ich hatte die Zeit, die Kontakte dann auch zu pflegen. Ein großes Plus hier war eben, dass ich nicht nur abends oder am Wochenende Zeit in den Verein investieren konnte, sondern auch tagsüber, wo eben politische Gremien und Sponsoren gut erreichbar waren und ich daher viel mehr Termine wahrnehmen konnte.

    Zudem investierte ich viel Zeit in die Vereinsentwicklung. Zum Teil konnte ich dafür auf eigene Erfahrungen und auf Inhalte aus dem Studium zurückgreifen, aber vor allem habe ich mich viel mit anderen Vereinen ausgetauscht, wofür ich jetzt Zeit hatte. Dort habe ich abgeschaut, was diese gut machen und was wir vielleicht adaptieren könnten. Natürlich habe ich mich auch regelmäßig mit dem Vorstand abgesprochen, wohin wir wollen und wie wir uns als Verein sehen.

    Außerdem gab es einen intensiven und offenen Austausch mit den Abteilungen, die ja Experten auf ihrem Gebiet bzw. in ihren Sportarten sind. Im Gespräch habe ich versucht herauszufinden, wohin sich die Sportarten und Abteilungen hin entwickeln können und welche Randsportarten bzw. moderne Sportarten sich in den Verein integrieren lassen. So haben wir zum Beispiel Cheerleading neu in die Turnabteilung aufgenommen, was uns direkt ca. 40 neue Mitglieder beschert hat.

    Ein großes Projekt war auch der Sportstättenbau. Hier war großer Stillstand im Verein und dadurch ist das Vereinsgelände eher „verfallen“ als modernisiert worden. Ich konnte diese sprichwörtlichen Baustellen mit viel Zeit und Engagement angehen und dadurch vieles erneuern, modernisieren und auf den Weg bringen. Meine Nachfolgerin konnte beispielsweise mein begonnenes Projekt abschließen und die uralte, leicht angeschimmelte Gymnastikhalle sanieren und sie mit großen Fenstern und modernen Spiegeln ausstatten. Hierfür habe ich lange gearbeitet und Gelder geniert. Nun hat der Verein eine ganz neue kleine Gymnastikhalle, die die Leute viel mehr anzieht.

    Ein anderes Projekt war der Bau eines neuen Spielplatzes, für den ich Termine mit Sponsoren, Spendern und der Presse wahrgenommen habe. Wir haben es durch meine Kapazitäten geschafft, einen nachhaltigen Spielplatz für über 30.000€ zu bauen, ohne Vereins-Gelder investieren zu müssen. Ich habe zig Termine wahrgenommen und Präsentationen im Gemeinderat gehalten, um an die Gelder zu kommen. Diese Zeit und die Termine tagsüber hätte das Ehrenamt schlicht weg nicht wahrnehmen können

    Du hast zunächst „nur“ Teilzeit für deinen Verein gearbeitet. Gab es da schon die Perspektive aufs Hauptamt oder hast du “nur” darauf spekuliert?

    Auf der einen Seite habe ich natürlich darauf spekuliert, auf der anderen Seite hatte ich aber das klare Abkommen mit dem Präsidium, dass das Ziel eine 100% Stelle ist. Maßgeblich dafür war natürlich, wie diese neue Position vom Gesamtverein angenommen wird und wie viele zusätzlichen Gelder durch mich eingenommen werden können. Die Idee war, dass ich durch den Auf- und Ausbau des Sponsorings, eine steigende Professionalisierung, Einsparungen und neue Konzepte und Angebote mehr Gelder generieren kann.

    Ging die Überlegung auf? Wie hat der Verein deine Stelle refinanzert?

    Ja, auf jeden Fall. Zum einen durch das erweiterte Sponsoring, aber vor allem durch die Reduzierung von unnötigen Ausgaben, die ich durch Analysen ausmachen konnte.

    So hatten wir zum Beispiel enorm hohe Fixausgaben für Versicherungen, Strom und Energie im Allgemeinen. Die Verträge waren gefühlt 100 Jahre alt und wurden einfach von Jahr zu Jahr verlängert ohne die Konditionen zu verbessern. Ich habe dann angefangen, alles auf den Prüfstand zu stellen. Durch Anbieterwechsel und Verhandlungen konnten wir so sehr viel Geld sparen. Auch durch die teilweise Digitalisierung der Mitgliederzeitung konnten Gelder und Ressourcen eingespart und der Verein gleichzeitig nachhaltiger werden.

    Zudem konnten wir durch neue Angebote neue Einnahmen generieren. Ich habe zum Beispiel versucht, Kooperationen mit Unternehmen einzugehen,  um mit ihnen gemeinsam eine betriebliche Gesundheitsförderung aufzubauen und so gleichzeitig dann auch das Angebot für unsere Mitglieder um Kurse wie Yoga, Zumba und Pilates erweitern zu können. Dadurch konnte ich einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten, dass meine Stelle finanziert werden konnte. Außerdem wurde der Mitgliedsbeitrag ganz leicht angepasst und mein Verein hat vorher schon gut gewirtschaftet, so dass er über ausreichend finanzielle Mittel verfügte, um die Mehrkosten zu tragen und zwar ohne große Einschnitte für die Abteilungen.

    Und was viele nicht wissen: Auch viele Städte und Kommunen unterstützen Vereine auf dem Weg zur Hauptamtlichkeit finanziell, ebenso die Landessportverbände. Das ist jedoch in allen Städten und Regionen anders geregelt, so dass man sich am besten Mal beim zuständigen Sportamt über die Möglichkeiten erkundigt.

    Blieb es denn tatsächlich anfangs nur bei den 20 Stunden für den Verein?

    Nicht so ganz. Ich habe auch ehrenamtliche Zeit als Trainer investiert und zusätzlich Schul-Kooperationen aufgrund meiner vorhandenen Lizenz übernommen.

    Du hast angesprochen, dass es ein wichtiges Kriterium war, wie du beim restlichen Verein angenommen wurdest. Wie waren die Reaktionen zunächst?

    Anfangs gab es schon ein paar skeptische Stimmen, da der Verein bis dahin rein ehrenamtlich geführt wurde und ich zusätzlich mit gerade einmal 23 Jahren ein sehr junger Geschäftsführer war. Bei Vielen hat man aber auch direkt eine Vorfreude gemerkt, dass eine neue Zeit im Verein anbricht. Durch meine offene, transparente Art habe ich es schnell geschafft, die meisten Skeptiker auf meine Seite zu ziehen.

    Am Ende war der Tenor, dass das Hauptamt eine große Erleichterung und Unterstützung für das Ehrenamt dargestellt hat. Wenn beide Seiten ihre Position und die des anderen akzeptieren und wertschätzen, ist das ein großer Gewinn für den Verein. Es liegt aber immer auch an einem selbst, wie man seine Position wahrnimmt!

    Du hast sehr viel Gutes über deine Erfahrungen berichtet. Wieso hast du schließlich doch im Verein aufgehört?

    Das hatte weniger mit dem Verein selbst zu tun. Nach den fünf Jahren habe ich gemerkt, dass es an der Zeit ist, eine neue Herausforderung anzunehmen, um mich selbst persönlich wie inhaltlich weiter zu entwickeln. Außerdem hat der Profifußball mich bereits seit meiner Kindheit begleitet und fasziniert, so dass ich die Chance, beim DFB zu arbeiten einfach ergreifen musste.

    Trotz deiner ganzen positiven Erfahrungen setzen immer noch ein Großteil der Vereine lieber ausschließlich aufs Ehrenamt, anstatt zusätzlich auch hauptamtliche Mitarbeiter*innen zu installieren. Was glaubst du, was die Hauptgründe dafür sind?

    Ich glaube, da kommen verschiedene Faktoren zusammen. Ein Grund ist Unwissenheit, also dass das überhaupt eine Option ist, was die konkreten Vorteile sind und wie das Ganze überhaupt finanziert werden kann. Eine wichtige Rolle spielt auch das immer noch oft vorherrschende traditionelle Denken und die Einstellung: „Bisher ging es doch auch ohne“. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass viele Angst vor den zunächst hohen Ausgaben haben und nicht sehen, welche langfristigen positiven Effekte das Hauptamt – auch finanziell – auf den Verein haben kann.

    Würdest du diesen Vereinen denn raten, aufs Hauptamt zu setzen?

    Auf alle Fälle würde ich dazu raten. Jeder Verein und jede Situation ist natürlich unterschiedlich. Daher muss es jeder Verein auf sich selbst anpassen und individuelle Konzepte finden. Es muss ja nicht zwingend eine 100% Stelle sein, sondern auch eine 50% Stelle wäre denkbar oder sogar das Hauptamt mit einem anderen Vereinen zu teilen.  Grundsätzlich ist das Hauptamt aber ein sehr großer Gewinn und in meinen Augen die einzige Chance, in Zukunft als Verein überleben zu können.

    Vielen Dank für das Interview, Markus!

  • Von der FSJ’lerin zur hauptamtlichen Geschäftsführerin beim Mülheimer Sportbund

    Erst FSJ, später Geschäftsführerin. Trotz ihres Background in der Psychologie ist Nicole direkt zur Geschäftsführerin aufgestiegen.

    Nicole Nussbicker entschied sich nach dem Abitur erst einmal für ein FSJ beim Mülheimer Sportbund e.V.. Trotz eines Studiums der Psychologie und der Erziehungswissenschaften brach der Kontakt dorthin nie ab. Mittlerweile ist sie dort als hauptamtliche Geschäftsführerin tätig und setzt sich für die Belange der Mitglieder ein.

    Hallo Nicole, erzähl uns doch erstmal etwas von dir.

    Als Kind habe ich im Verein Schwimmen gelernt und als Teenagerin im Leistungsbereich an Wettkämpfen teilgenommen. Meine Familie war ebenfalls im Verein aktiv: Meine Eltern im ehrenamtlichen Bereich und meine jüngere Schwester so wie ich im Leistungsschwimmen. Somit haben wir viel Zeit im Verein verbringen dürfen. Nachdem ich mit dem Schwimmen aufgehört habe, habe ich einige Jahre Handball gespielt und teste noch heute gerne neue Sportarten aus.

    Zudem habe ich eine Übungsleiter C-Lizenz sowie eine Prävention B-Lizenz für Übungsleitungen. Daneben habe ich verschiedene Fortbildungen zu unterschiedlichen Schwerpunkt absolviert. Besonders viel Spaß macht mit aktuell der Drums Alive Instruktor.

    Nach dem Abitur habe ich ein freiwilliges soziales Jahr im Mülheimer Sportbund e.V. (MSB) gemacht und anschließend Erziehungswissenschaften und Psychologie studiert. Seit 2014 bin ich beim MSB als Fachkraft für den Kinder- und Jugendbereich angestellt und durfte 2017 die Geschäftsführung übernehmen.

    Wofür genau ist der Mülheimer Sportbund zuständig?

    Der Mülheimer Sportbund e.V. (MSB) ist die unabhängige Gemeinschaft der Sportvereine, die ihren Sitz in Mülheim an der Ruhr haben und verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. 

    Wir vertreten den Sport und die Interessen unserer Mitglieder und setzen uns insbesondere dafür ein, dass all unseren Mitgliedern und den Mülheimer Bürger*innen die Möglichkeit gegeben wird, unter zeitgemäßen Bedingungen Sport zu treiben. In Partnerschaft mit der Stadtverwaltung und der Politik, aber auch in enger Kooperation mit der Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Gruppen setzen wir uns engagiert für die Belange des Sports in Mülheim an der Ruhr ein.

    Wie kam es dazu, dass du dich Jahre nach deinem FSJ für eine Tätigkeit dort entschieden hast?

    Ich hab von September 2008 bis August 2009 mein freiwilliges Soziales Jahr beim MSB gemacht. Während des Studiums habe ich Angebote in Kindertagesstätten und Angebote in Grundschulen gegeben. Der Kontakt zum MSB ist aber nie abgebrochen und so habe ich im Juli 2014 eine Vollzeitstelle als Koordinatorin für den Kinder- und Jugendsport übernommen. Im September 2016 habe ich die kommissarische Geschäftsführung übernommen und ab November 2017 die vollständige Geschäftsführung.

    Du hast Psychologie und Erziehungswissenschaften studiert. Da ist eine hauptamtliche Tätigkeit im Sport ja nicht unbedingt das Naheliegendste. Wieso hast du dich dafür entschieden?

    Es macht unglaublich Spaß und ist abwechslungsreich! Ich finde es interessant und spannend mit Menschen zusammen zu arbeiten, die ehrenamtlich tätig sind, weil sie ihre Sportart bzw. ihren Verein unterstützen und nach vorne bringen wollen.

    Ein besonderer Anreiz ist es für mich gemeinsam mit unseren Vereinen Angebote getreu unserem Motto „Bewegungsangebote für Jeden in jeder Lebenslage“ zu schaffen.

    Ich hatte vorher auch keinerlei Bedenken wegen meines eher ungewöhnlichen Backgrounds, sondern ich war gespannt auf die Herausforderung. Durch mein FSJ und meine Übungsleitertätigkeit kannte ich den MSB ja bereits und freute mich auf die Aufgaben, die mit der neu ausgeschriebenen Stelle einhergehen sollten.

    Welche konkreten Aufgaben übernimmst du im Sportbund?

    Als Geschäftsführerin beim MSB kommen viele verschiedene Aufgaben auf mich zu, ich bin zuständig für die Unternehmensplanung, Mitarbeiterführung, Finanzen, Nachwuchsförderung, strategische Ausrichtung, unser Haus des Sports, Antragsstellung für Fördermittel, Veranstaltungen bis hin zur Projektplanung und deren Durchführung. Unsere Hauptaufgabe ist es jedoch, uns für die Belange unsere Sportvereine einzusetzen.

    Warst du denn schon einmal vorher ehrenamtlich in einer ähnlichen Position tätig?

    Nein, in einem Vorstand nicht. Jedoch jahrelang als Übungsleiterin, Ferienspielbetreuerin und Trainerin. Die Übergänge sind allerdings fließend, weil wir leider die Aufgaben der Ehrenamtler*innen meist auf zu wenige Schultern verteilen können. Somit ist eine Aufgabe als Übungsleitung schneller mit „muss“ Aufgaben belegt und wird eher als „Job“ empfunden.

    Wie seid ihr personell beim MSB aufgestellt?

    Wir sind elf hauptamtliche Mitarbeiter*innen und eine Vielzahl von Ehrenamtler*innen. Alleine unser Vorstand besteht aus zwölf Mitgliedern, wovon zehn Ehrenamtler*innen sind. Unser Sportjugendvorstand ist komplett ehrenamtlich geführt, ebenso wie viele Übungsleitungen und Sporthelfer*innen, die uns in Projekten und bei Veranstaltungen unterstützen.

    Welche Ziele verfolgt ihr langfristig beim MSB?

    Langfristig wollen wir unser Motto „Bewegungsangebote für Jeden in jeder Lebenslage“ flächendeckend ausbauen. Kurzfristig beschäftigt uns natürlich aktuell der Umgang mit den Corona Einschränkungen für unsere Vereine und uns. Hier wollen wir unseren Vereinen die bestmögliche Unterstützung und Informationsweiterleitung zukommen lassen.

    Welche Vorteile bringt es den Vereinen, dass sie beim MSB auch hauptamtliche Ansprechpartner*innen zu haben?  

    Ein großer Vorteil ist es, dass wir als Dienstleister für unsere Vereine besser agieren können. Wir sind zu festen Zeiten erreichbar persönlich, telefonisch und auch per Mail. So können wir eine größere Bandbreite an Aufgaben übernehmen.

    Siehst du ein gewisses Spannungspotenzial, wenn einige haupt – und andere ehrenamtlich arbeiten?

    Ich glaube ein mögliches Spannungspotenzial hat nicht unbedingt etwas mit Ehrenamt und Hauptamt zu tun, sondern hängt mit der Definition der Aufgaben und der Personen selbst zusammen. Ist klar definiert, wer welche Aufgaben hat und allen agierenden Personen bewusst, wie wichtig sie sind, kann eine gewinnbringende Zusammenarbeit entstehen. Hauptamtler*innen und Ehrenamtler*innen bringen nämlich unterschiedliche, aber wichtige Aspekte in die Vereinsarbeit mit ein.

    Würdest du dir generell mehr Hauptamt im Sport wünschen?

    Definitiv ja! Als Entlastung des Ehrenamtes und mit den stetig wachsenden Aufgaben für Vereine kann Hauptamt vorteilhaft sein. So nimmt zum Beispiel die Bürokratie für Vereinsvorstände stetig zu, Organisationen werden aufwendiger und gerade das Jahr 2020 mit der Coronapandemie stellt uns und die Vereine vor neue Herausforderungen und Aufgaben, um nur drei Beispiele zu nennen.

    Warum setzen aber dann trotzdem immer noch sehr viele Vereine rein aufs Ehrenamt?

    Vor allem, weil sie ein großes Sicherheitsbedürfnis haben. Auch Finanzen sind ein großes Thema im Vereinsleben und das Hauptamt muss bezahlt werden. Wir beraten die Vereine auch gerne im Hinblick auf das Einsetzen von hauptamtlichen Kräften und weisen natürlich auch auf mögliche Förderungen hin. Jedoch sind die Bedenken noch oft sehr groß.

    Gibt es etwas, was du den Vereinen für die Zukunft raten würdest?

    Bleibt Euch treu! Die Sport- und Freizeitangebote können einen Verein nicht ersetzen. Vereine sollen sich auf ihre Werte berufen. Sport im Verein bedeutet nicht nur Bewegungsangebote, sondern auch das schulen und fördern von sozialen Kompetenzen in jedem Alter.